Tintenhain – Der Buchblog

Sophie Jordan: Infernale (1) [Rezension]

Cover Infernale Sophie Jordan
Cover © Loewe Verlag

Als Davy in einem DNA-Test positiv auf das Mördergen Homicidal Tendency Syndrome (HTS) getestet wird, bricht ihre heile Welt zusammen. Sie muss die Schule wechseln, ihre Beziehung scheitert, ihre Freunde fürchten sich vor ihr und ihre Eltern meiden sie. Aber sie kann nicht glauben, dass sie imstande sein soll, einen Menschen zu töten. Doch Verrat und Verstoß zwingen Davy zum Äußersten. Wird sie das werden, für das alle Welt sie hält und vor dem sie sich am meisten fürchtet – eine Mörderin?(Inhaltsangabe © Loewe Verlag)

Davy Hamiltons Leben ist perfekt. Nicht nur ist sie ein musisches Genie, sie ist mit dem tollsten Typen der Schule zusammen, sieht gut aus und hat auch sonst keine Probleme. Das ändert sich mit einem Schlag als der flächendeckend durchgeführte Gentest ergibt, dass Davy das Mördergen HTS in sich trägt. Von einem Tag auf den anderen verliert sie alles, was ihr bisheriges Leben ausgemacht hat. Ihre Freunde schneiden sie, sie muss die Schule wechseln und wird von nun an isoliert mit anderen HTS-Trägern unterrichtet.

Da war es mal wieder: Ein Buch, das mich von der ersten Seite an so zu fesseln vermochte, dass ich es trotz gleichzeitiger Purzelchenbespaßung an einem Tag gelesen habe.

Die Idee zum Roman, dass es ein sogenanntes Mörder- oder Verbrechergen geben könnte, ist nicht nur beklemmend, sondern gar nicht mal so weit hergeholt. Tatsächlich gibt es Forschungen in diese Richtung (siehe Links unten). Sophie Jordan spielt mit diesen Gedanken und treibt sie auf die Spitze. Stell dir vor, jeder, aber auch wirklich jeder wird getestet. Stell dir vor, dass nichts mehr zählt außer diesem Testergebnis. Stell dir vor, es gibt eine Behörde, die mit den Ängsten der Bevölkerung spielt und dadurch immer mehr Macht erlangt. Stell dir vor, es kommt zum Äußersten.

Sophie Jordan bedient sich der Vorstellung und dem Streben nach einer perfekten Gesellschaft. Ein Leben ohne Gewalt und Verbrechen ist ein hohes, ehrenwertes Ziel – doch der Weg dahin ist alles andere als das. Gleichzeitig formt Jordan mit ihrer Protagonistin Davy das Abbild eines perfekten Mädchens. Davy ist ein musikalisches Wunderkind, alles fällt ihr zu. Sie ist beliebt, sie sieht gut aus, sie ist glücklich verliebt, sie hat Freunde, die ebenfalls beliebt sind und ihre Familie vergöttert sie. Zwar kann man als Leserin Davy ihre Perfektion übel nehmen – wer ist schon ein Wunderkind? – doch stärker kann man den tiefen Fall und die Diskrepanz zwischen dem vermeintlich Erstrebenswerten und dem wahren Leben mit all seinen Fallstricken nicht aufzeigen.

So ist auch die Handlung in den ersten Kapiteln des Romans mehr als vorhersehbar. Es wird die logische Reaktion der Umwelt aufgezeigt, wenn jemand, warum auch immer stigmatisiert wird. In diesem Fall ist es besonders hart, weil ein ganzes System dahinter steckt und alles wissenschaftlich aufbereitet wird. Der Glaube an die wissenschaftlichen Ergebnisse ist stärker als der an die formende Umwelt. Schnell zeigt sich, wer sich eigene Gedanken macht und wer vor Angst wie gelähmt ist. Am schlimmsten ist die Ohnmacht, das Ausgeliefertsein. Es gibt nichts, was Davy tun kann. Ihr liebenswertes Wesen zählt nicht mehr. Die Maschinerie setzt sich in Gang und lässt sich mit staatlicher Unterstützung durch nichts aufhalten.

Doch Davy ist in ihrer Situation nicht allein. Schneller als ihr lieb ist, kommt sie mit anderen HTS-Trägern in Kontakt – und mal ganz ehrlich, auch wenn es auf sie selbst ganz bestimmt nicht zutrifft, die meisten dieser tickenden Zeitbomben werden eben doch straffällig. Inwiefern dies Folge einer selbst erfüllenden Prophezeiung ist, bleibt allerdings dahingestellt. Mit Davys Aufnahme an der staatlichen Keller High School nimmt die Geschichte Fahrt auf. Nicht nur, dass einem angesichts der Mitschüler und Aufsichtspersonen wirklich angst und bange werden kann, auch lernt Davy hier den unnahbaren (und natürlich attraktiven) Sean kennen, bei dem sie nicht weiß, ob sie nun besser Angst vor ihm haben soll oder in ihm doch einen Beschützer sehen kann. Das Schicksal der beiden wird untrennbar als die Behörden als Reaktion auf einen Anschlag durch HTS-Träger Internierungslager aus dem Boden stampfen.

Sophie Jordans Schreibstil ist gewohnt leichtgängig und schafft es, den Leser wie an einem Faden durch das Buch zu ziehen. Zwar bleibt sie mit ihrer Ich-Eezählerin immer dicht an der Geschichte Davys, streut jedoch kleine Elemente wie Chats, Pressemitteilungen und Regierungsanweisungen zwischen den Kapiteln ein, die dem Leser Hintergrundinformationen bringen, die Davy nicht hat.

Großes Kino sind Jordans Figuren und ihre Beziehungen. Sie machen den hauptsächlichen Charme des Buches aus, allen voran natürlich der charismatische Sean, aber auch weniger präsente Charaktere zeigen eine außerordentliche Lebendigkeit auf. Das Buch ist trotz der anfänglichen Vorhersehbarkeit durchgehend spannend und wie ich anfangs schon sagte, es blieb mir gar nichts weiter übrig als einfach nur weiter zu lesen.
“Infernale” ist der erste Teil einer Dilogie und ich freue mich sehr auf die Fortsetzung.

© Tintenhain


Autorenseite
Leseprobe

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Die Dilogie
1. Infernale (Uninvited)
2. Rhapsodie in Schwarz (Unleashed)Rezension

Mehr Infos zum Thema “Verbrecher-Gen”
Der Mörder in mir (Kriminalisten.at)
Kriminell durch die Gene? (wissenschaft.de)
Gibt es den geborenen Verbrecher? (sueddeutsche.de)
Es gibt kein Verbrecher-Gen (welt.de)
Die Signatur des Bösen Rezension zu Adrian Raine: “Als Mörder geboren”


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Dilogie, Band 1
Gebundene Ausgabe:
384 Seiten
Verlag: Loewe (15. Februar 2016)
Originaltitel: Uninvited
Übersetzung aus dem Amerikanischen: Ulrike Brauns
ISBN-10: 378558167X
ISBN-13: 978-3785581674
Altersempfehlung: ab 14 Jahren
Preis: 17,95 € (D)
Rezensionsexemplar
Cover Infernale Sophie Jordan
Cover © Loewe Verlag

14 Kommentare

  1. Guten Morgen!
    Ich hab ja schon im Vorfeld immer wieder Begeisterung gehört von allen, die das Buch schon lesen – ich muss gestehen, dass ich mich da nicht so anschließen konnte.
    Mir waren die Klischees zu viel und die Naivität von Davy hat mich dann doch irgendwann genervt und ihre ständige Angst vor den “Trägern” (vor allem da sie ja selber oft genug wiederholt, dass sie ja selbst auch ein ganz normaler Mensch ist und dieser “Stempel” sie nicht ändert)
    Man kam wirklich schnell durch die Seiten, trotzdem ging die Handlung nur schrittweise voran und ich hatte das Gefühl, dass es ganz schön lang dauert, bis da mal was weitergeht … auch wusste man immer schon im voraus, was als nächstes passiert.
    Gerade das Hauptthema um das “Vorurteil” der HTS Träger ist mir ein bisschen untergegangen, da hätte man meiner Meinung nach noch viel mehr einbringen können. Ich hätte mir das ganze Buch eher so wie die letzten 80 Seiten gewünscht 😉 Aber ich bin ein Fan von Sean ♥ g
    Liebste Grüße, Aleshanee

    1. Ich habe gestern auch schon mit Vanessa darüber diskutiert. Ich finde Davys Angst vor HTS-Trägern total logisch und konsequent. Sie ist so erzogen worden und es ist eine schon lange eingeimpfte Angst, wie man an der Reaktion ihrer Umwelt und sogar ihrer Mutter sehen kann. Außerdem ist an dem HTS-Gen ja auch etwas dran. Ein Großteil wird tatsächlich straffällig (und sicher nicht nur als self-fullfillig prophecy) und ich fand auch etliche der Träger sehr unangenehm und beängstigend. Es ist immer einfacher, erst einmal nur sich selbst auszunehmen, vor allem bei etwas so irrationalem wie Angst.
      Zur Vorhersehbarkeit: Das hatte ich ja auch angesprochen. Es muss am Anfang vorhersehbar sein, sonst wäre es unlogisch. Das wäre so als würde man einem Buch über Trauerarbeit vorwerfen, dass der Protagonist die Trauerphasen durchmacht. Alles, was am Anfang passiert, muss so passieren, weil Menschen nun mal genau so reagieren. So sehe ich das jedenfalls. Was die Klischees betrifft: Es ist genauso wie man Davy vorwerfen kann, perfekt zu sein. Ich halte das in diesem Fall für ein Stilmittel, um aufzuzeigen, das nichts davor schützen kann, wenn eine staatlich unterstützte, vermeintlich wissenschaftliche Maschinerie ins Rollen kommt. HIer liegt der Schwerpunkt auf dem Buch. Davy als Ich-Erzählerin kann zum HTS-Gen gar nicht viel sagen. Dafür hätte es mehr der zwischen den Kapiteln eingestreuten Infos oder aber noch eine zweite Erzählebene geben müssen.
      Ich freu mich jedenfalls schon auf die Fortsetzung. Und Sean – ja, hat schon was! 😉

  2. Hallo Mona,
    da hast du eine schöne Rezension geschrieben. Danke auch, dass du mich verlinkt hast. Das ich einige Kritikpunkte habe, weißt du ja schon bereits vorab. Freut mich, dass es dir so gut gefallen hat. Ich bin auf jeden Fall gespannt wie es weitergeht.
    Liebe Grüße,
    Vanessa

    1. Ich verlinke ja sehr gern, da man sich so sehr schnell und bequem auch weitere Meinungen einholen kann. Da finde ich es auch immer nett, wenn sich die Rezi von meiner unterscheidet. die Kritikpunkte kann ich alle nachvollziehen, aber meiner Meinung nach auch widerlegen bzw. erklärbar machen. ;-D
      Danke für den Link!

  3. Hallo Mona,
    ich höre an dieser Stelle tatsächlich zum ersten Mal von diesem Buch, und Deine Rezension hat mich unheimlich neugierig gemacht! 🙂 Vielen Dank dafür – ich glaube, an dem Buch versuche ich mich mal..
    Liebe Grüße
    Jule

  4. Hallo meine Liebe,
    bei mir darf das Hörbuch dazu einziehen und jetzt freue ich mich nur noch mehr drauf 🙂
    Sehr schöne Rezi. Aber dank dir kommt mir das Warten auf den Postboten jetzt noch länger vor 😛
    LG
    Sonja

  5. Pingback: [Hörbuch-Rezension] „Infernale 1“ von Sophie Jordan - WortKunstSalat

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