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Irena Brignull: Die Prophezeiung der Hawkweed (1) [Rezension]

Cover (c) Fischer Sauerländer

Durch einen mächtigen Hexenfluch werden die beiden Mädchen Ember und Poppy in der Nacht ihrer Geburt meilenweit voneinander entfernt vertauscht.
Ember wächst in einem Hexenclan auf, unfähig die Kräfte der Natur zu beschwören oder auch nur die einfachsten Zauber auszuführen. Poppy hingegen passieren ständig unerklärliche Dinge, die dazu führen, dass sie von einer Schule nach der anderen fliegt. Ihre einzigen Freunde sind Katzen, die sie immer und überall finden und begleiten.

Ember und Poppy ahnen, dass sie anders sind als ihre Mitmenschen, und spüren täglich, dass sie als Außenseiter nicht dazugehören. Erst als sie einander begegnen und erstmals erfahren, was Freundschaft ist, erkennen sie, dass es für jede eine passendere, bessere Welt gibt. Doch noch wissen sie nichts von der uralten Prophezeiung, die ihr Schicksal bestimmen wird.

“Die Prophezeiung von Hawkweed” ist eine spannende Geschichte um Identität und Selbstfindung vor dem magischen Hintergrund einer Hexenwelt. Eine finstere Gewitternacht, in der zwei Kinder vertauscht werden und in einer fremden Welt aufwachsen, die mit ihnen nicht zurecht kommt. Beide Mädchen müssen schon früh feststellen, dass sie eigentlich fehl am Platze sind und finden eigene Strategien, mit ihrer Außenseiterrolle zurecht zu kommen. Während Ember in ihrer Hexenfamilie trotz ihrer Absonderlichkeiten Liebe erfährt, leidet Poppys Mutter unsagbar daran, dass mit ihrem Kind etwas nicht stimmt und ist nahe daran, den Verstand zu verlieren.

Spannend wird es, als die beiden Mädchen einander begegnen und die jeweils andere Welt entdecken. Auch wenn die Handlung abwechselnd aus den Perspektiven der beiden Mädchen erzählt wird, so liegt der Fokus leicht mehr auf Poppy, vor allem weil sie nicht in einer so vollkommen abgeschlossenen Welt wie Ember lebt. Poppy lernt nicht nur ihre wahre Natur, sondern auch einen Jungen kennen, der ganz anders ist als die meisten Menschen, die sie kennt. In dem Straßenjungen Leo trifft sie auf einen Menschen, der sie versteht und der vor allem keine Angst vor ihr hat. Aber auch Ember ist fasziniert von Leo, denn noch nie hat sie in männliches Wesen kennengelernt. Männer gibt es nicht in der Welt der Hexen, darf es nicht geben.

Auch wenn es anfangs vor allem um die beiden Mädchen, ihre Identitätsfindung und ihre Freundschaft geht, entwickelt sich die Geschichte schnell zu einem spannenden Fantasyroman, in dem eine alte Prophezeiung, Macht, Magie und Feindschaften zwischen verschiedenen Hexenclans eine zunehmende Rolle spielen. Die Hexenwelt ist bildhaft dargestellt, auch wenn ich mir hier manchmal mehr Hintergrundinformationen gewünscht hätte. Poppy entwickelt sich ungewöhnlich schnell autodidaktisch zu einer sehr mächtigen Hexe, was dem einen oder anderen eventuell zu fix gehen mag. Andererseits reden wir hier von der prophezeiten Königin der Hexen, die sollte schon etwas ganz Besonderes sein. Mir kam es jedenfalls weder abwegig noch übereilt vor. Es gibt wie bereits angedeutet auch ein Liebesdreieck, aber erstaunlicherweise auf eine ganz ungewohnte Art. Wie oft wünscht man beiden Mädchen gleich stark, dass sie den ersehnten Jungen erobern mögen? Ich würde es so sehr beiden gönnen und wünschen – eine Entscheidung könnte ich nicht treffen.
Als sehr berührend empfand ich die Beschreibungen der Muttergefühle und ich finde es beachtenswert, dass diese Perspektive Aufmerksamkeit bekommt.

Brignull hat einen flüssigen Schreibstil, so dass man sich so richtig in die Geschichte fallen lassen kann und der Schmökerstunde nichts im Wege steht, auch wenn zum Schluss hin einige Sprünge in der Handlung entstehen. Vor allem die Beschreibungen der Gefühlswelten der beiden Mädchen, aber auch die der Mütter und des Jungen Leo sind meiner Meinung nach sehr gut gelungen. Auch verliert sich Brignull nicht in detailverliebten Zauberbeschreibungen und bleibt dennoch glaubwürdig und nachvollziehbar. Einziges wirkliches Manko des Romans ist meines Erachtens die stereotype Beschreibung von “normalen” Mädchen. So stellt Ember autodidaktisch heimlich Seife her, damit sie gut riecht. Sie schnappt bald über vor Begeisterung beim Anblick von Nagellack, weiß intuitiv sofort, wie man ein Maniküreset benutzt und stellt sich dabei automatisch sehr geschickt an. Natürlich begeistert sie sich auch für modische Kleidung und hat einen sicheren Geschmack. Vielleicht wollte die Autorin hier auch nur den Unterschied der beiden Welten stärker betonen, bei mir hinterließ diese “naturgegebene” Darstellung von Mädchen jedoch einen bitteren Beigeschmack.

Auch wenn ich in meinem Buch keinen Hinweis darauf gefunden habe, dass es sich um einen Mehrteiler handeln könnte, so hatte ich bereits während des Lesens das Gefühl, dass hier auf jeden Fall noch mehr folgen könnte. Tatsächlich habe ich beim Erstellen des Infomaterials zu dieser Rezension festgestellt, dass es zumindest noch einen weiteren Teil geben wird. Die Geschichte endet zwar fortsetzungsbereit, könnte aber auch für sich stehen. Für mich steht auf jeden Fall fest, dass ich Poppy und Ember unbedingt weiter begleiten möchte, denn eigentlich wird es ja erst richtig spannend, wenn man seine Bestimmung gefunden hat.

Ein magischer Fantasyschmöker mit viel Herz!

© Tintenhain

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Die Reihe
1. Die Prophezeiung der Hawkweed
2. The Hawkweed Legacy (erscheint im Original Juni 2017)

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Irena Brignull: Die Prophezeiung der Hawkweed (1)

Dilogie, Band 1
Gebundene Ausgabe:
400 Seiten
Verlag: FISCHER Sauerländer (16. März 2017)
Originaltitel: The Hawkweed Prophecy: Book 1
Übersetzung aus dem Englischen: Sibylle Schmidt
ISBN-10: 3737354243
ISBN-13: 978-3737354240
Altersempfehlung: ab 12 Jahren
Preis: € 17,99 [D]
Rezensionsexemplar

Cover (c) Fischer Sauerländer

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