Tintenhain – Der Buchblog

Diana Menschig: Hüter der Worte [Rezension]

Mögen gute Worte dich behüten!

 

Cover Diana Menschig Hüter der Worte
Cover © Droemer Knaur

Der junge Autor Tom Schäfer schreibt nichtsahnend an dem jüngsten Abenteuer seines Fantasy-Helden Laryon, als er sich auf einmal selbst in der Buchwelt wiederfindet und Laryon gegenübersteht. Zuerst ist Tom begeistert von den Möglichkeiten, seine Geschichte hautnah mitzuerleben, doch bald erkennt er, dass es eine Sache ist, sich unheimliche Magier auszudenken, eine ganz andere, ihnen tatsächlich zu begegnen und die Welt vor ihnen zu retten. Laryon ist außerdem von Toms Einmischung gar nicht begeistert und widersetzt sich ihm, wo er nur kann. Aber den beiden Männern bleibt nichts anderes übrig, als sich zusammenzuraufen, denn nur gemeinsam können sie den Angriff der schwarzen Magier abwehren. (Inhaltsangabe © Knaur Verlag)

Der erfolgreiche Fantasyautor Tom Schäfer leidet unter einer Schreibblockade. Doch der Abgabetermin für seinen nächsten Roman um den jungen Grenzwächter Laryon rückt immer näher. Zu seinem Glück trifft er auf die attraktive und geheimnisvolle Melanie, die ihm neue Ideen zu seiner Welt gibt und sich scheinbar sehr gut darin auskennt, ohne jemals zuvor von seinen Romanen gehört zu haben. Toms neue Muse, die beruflich nach vermissten Personen sucht, gibt sich sehr verschwiegen, dennoch schnappt der junge Autor das Eine oder Andere auf und verwebt es mit seinem fiktionalen Stoff. Auch findet er Notizen und Ideen, die Mellie zu seiner Welt “Willerin” geschrieben hat, und bedient sich ungeniert.

Als das Buch erscheint, ist nicht nur Mellie geschockt, auch ein Nachfahre des “Godfather of Fantasy” reagiert vollkommen unerwartet. Toms Welt gerät jedoch endgültig aus den Fugen, als er sich selbst in seiner Buchwelt wiederfindet. Schnell ist er begeistert von den Möglichkeiten, die sich ihm bieten. Doch ausgerechnet sein Held Laryon steht  dem naiven Tom mehr als skeptisch gegenüber. Auf der Suche nach dem geheimnisvollen Jungen Kary und im Kampf gegen die mächtigen Magier kann er einen Anfänger nun wirklich nicht gebrauchen.

Diana Menschig spielt in ihrem Debütroman sowohl mit dem Traum eines Schriftstellers, seinen Figuren real begegnen zu können als auch mit dem Traum eines Rollenspielers, einmal ganz real in die Rollenspielwelt eintauchen zu können und “echte Abenteuer” zu erleben.

“Wann bekommt man schon mal Gelegenheit, das Land eines Volkes kennenzulernen und zu bereisen, von dem man bis vor ein paar Tagen noch nicht einmal wusste, dass es überhaupt existiert! Das ist phantastisch, das ist wahr gewordene Fiktion. Etwas Schöneres kann ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen” (Tom in “Hüter der Worte”, S. 296)

Zunächst ist die Handlung in zwei Stränge geteilt. Der Leser folgt abwechselnd dem realen Leben Toms, wie er versucht, seinen Fantasyroman zu einem Abschluss zu bringen und seinem fiktionalen Helden Laryon, der auf der Insel Willerin nichtsahnend in ein großes Abenteuer geführt wird. Die Wechsel vollziehen sich zunehmend schneller bis sie zu einem Erzählstrang verwoben werden.

Tom macht es in seiner Naivität und Egozentrik nicht immer leicht, ihn zu mögen, aber seine Begeisterungsfähigkeit und eigentlich immer gute Absicht lassen ihn dann doch wie einen liebenswürdigen Tollpatsch erscheinen. Man spürt seine Verzweiflung angesichts der Schreibblockade, die ihn immer weiter von seinen Freunden entfernt. Nur Mellie ist noch wichtig, die auf ihre geheimnisvolle Art und Weise mit Rat und Tat zur Seite steht.

Sein Held Laryon ist Tom ähnlicher als man auf den ersten Blick glauben mag, dennoch sind die beiden wie Feuer und Wasser, was Tom unheimlich kränkt. Laryon ist ein treuer Freund, der auf pragmatische Weise versucht, das Beste aus einer Situation zu machen. Die beiden brauchen eine Weile, um herauszufinden, dass sie nur zusammen weiterkommen. Die lebendigen Wortwechsel auf dem Weg dahin geben dem Buch Würze und Humor.

Doch “Hüter der Worte” ist mehr als nur die Geschichte von einem Autor, der sich in seiner eigenen Erzählung wiederfindet. Mit einer Hierarchie von Worthütern und Wortgestalten wird eine ganz eigene Hintergrundwelt geschaffen, die sich noch hinter der Geschichte Laryons und seiner Gefährten verbirgt und in der auch Tom nur ein Teil des Ganzen ist. Die Erklärung dieser Hintergrundwelt nimmt leider sehr viel Zeit in Anspruch, so dass das Buch von da an ein wenig an Fahrt verliert. Da mich vordergründig Laryons Welt und seine Geschichte fasziniert hat und ich es spannend fand, Tom in seinen Nöten zu begleiten, hat es mich schon gestört, dass das, was die Handlung bis dahin vorangetrieben hatte (Suche nach Kary), vorübergehend aus dem Blickfeld der Autorin gerät.

Besonderen Spaß hatte ich an den Bezugspunkten zum klassischen Pen-and-Paper-Rollenspiel. Nicht nur ist Tom selbst Rollenspieler, auch Diana Menschigs Danksagungen am Ende des Buches entnehme ich, dass sie selbst aktiv RPG spielt. So hat Tom auf jeden Fall ein Seil dabei, was er “mit einem merkwürdigen Ritual eines Spiels” begründet oder jemand weigert sich, den “Info-Elf” zu spielen.

“Hüter der Worte” ist  besonders in den Passagen auf “Willerin” atmosphärisch dicht geschrieben und lässt sich flüssig lesen. Im Anhang gibt es einen Stammbaum der Worthüter und eine Karte von Willerin. Trotz der Längen im letzten Drittel ist der Roman auf jeden Fall ein besonderes Häppchen Fantasy, nicht nur für begeisterte Rollenspieler.

“Mögen gute Worte deinen Weg lenken!”

© Tintenhain


Werbung

Diana Menschig: Hüter der Worte

Einzelband
Taschenbuch: 544 Seiten
Verlag: Knaur TB (1. Oktober 2012)
ISBN-10: 3426511118
ISBN-13: 978-3426511114
Preis: 9,99€
Wanderbuch
Cover Diana Menschig Hüter der Worte
Cover © Droemer Knaur

4 Kommentare

  1. Ich hab das Buch damals mit der Autorin zusammen in der Leserunde gelesen und ihm auch 4 Sterne gegeben 😉
    Mich hatte Tom mehr als die Hälfte des Buches total genervt. Ich fand ihn furchtbar – aber die Geschichte trotzdem sehr gut. Allerdings weiß ich auch, dass die nervigen Charakterzüge beabsichtigt waren ^^
    Alles in allem kann ich Deiner Rezi aber zustimmen, gut getroffen 🙂

    1. Oh, bei der Leserunde wäre ich wirklich gern dabei gewesen! Stimmt, Tom ist nervig, aber irgendwie hat er auch was Nettes. Bei Laryon ist es eher umgekehrt, am Anfang der Held, total sympathisch, aber auch er wird “menschlicher”. Und Mellie – sie kam ein bisschen kurz, aber sie hat auch beides, wie ich finde.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert