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Marianne Kaurin: Irgendwo ist immer Süden [Rezension]

Cover Irgendwo ist immer Süden von Marianne Kaurin
Cover © Atrium Woow

Am letzten Schultag soll jeder aus der Klasse von seinen Plänen für die Sommerferien erzählen. Alle verreisen. Ins Ausland. Inas Mitschüler sind geradezu versessen aufs Ausland – es gibt sogar einen Wettstreit, wer schon in den meisten Ländern war. Als Ina an der Reihe ist, pocht es in ihrem Bauch, fast ganz oben beim Herzen. Und dann hört sie sich vor der Klasse sagen, sie würde in den Süden fahren. Nur, um dazuzugehören, dabei hat ihre Mutter für einen Urlaub gar kein Geld. Jetzt gibt es kein Zurück mehr: Damit die Lüge nicht auffliegt, bleibt Ina ab dem ersten Ferientag von morgens bis abends in ihrem Zimmer. Bis der Neue aus ihrer Klasse, der in derselben Siedlung wohnt, Ina am Fenster entdeckt und ihr einen verrückten Vorschlag macht… (Inhaltsangabe © Atrium Woow)

Was sagt man, wenn alle in der Klasse von ihren Urlaubsplänen erzählen und dabei einer den anderen übertrumpft? Erzählen, dass man den ganzen langen Sommer zu Hause in der hässlichen Betonwohnanlage Tyllebakken bleibt, die alle nur “Güllebakken” nennen? Bei der zwölfjährigen Ina und ihrer alleinerziehenden Mutter, die manchmal nicht vom Sofa hochkommt, ist das Geld knapp. Ein Urlaub ist einfach nicht drin und selbst für ein Geburtstagsgeschenk der Klassenkameradin muss Ina sich eine Notlösung einfallen lassen. Weil Ina aber unbedingt dazugehören will, antwortet sie einfach, dass auch sie verreisen würde. In den Süden! Irgendwo ist schließlich immer Süden.

Damit Inas Lüge nicht auffliegt, verbringt sie die Tage in der Wohnung, bis Vilmer, der Neue aus der Klasse, der auch in Tyllebakken wohnt, sie am Fenster entdeckt. Vilmer ahnt, wie es Ina zumute sein muss und hat eine hervorragende Idee. In einer verlassenen Hausmeisterwohnung richten sich die beiden ihr Südseeparadies ein und kommen dabei einer alten Liebesgeschichte auf die Spur.

Als ich das Buch der norwegischen Autorin Marianne Kaurin letzten Sommer im Laden entdeckte, ahnte ich bereits, dass sich darin eine ganz besondere Geschichte verbergen würde. Und richtig, “Irgendwo ist immer Süden” ist eine herzerwärmende, liebevoll erzählte Geschichte um Freundschaft, Akzeptanz und Mut. Da ist Ina, die fast verzweifelt Freunde sucht, die sie hoch- statt runterziehen, wie sie sich immer wieder sagt und die sich dafür selbst untreu wird. Und dann ist da Vilmer, der ein sehr feines Gespür für andere hat und hinter Inas Fassade schaut. Zusammen bauen sie sich ihre kleine Welt mit Strandfototapete, Planschbecken und Wellnessbereich im Badezimmer und träumen sich heraus aus dieser Welt, in der die Eltern mit ihren eigenen Problemen beschäftigt sind und Coolness scheinbar irgendwie immer mit Geld verbunden ist.

Die beiden Heranwachsenden vertrauen sich gegenseitig ihre Geheimnisse an und fühlen sich so verstanden wie nie zuvor. Ihre neue Freundschaft, die erste zarte Liebesgefühle aufkeimen lässt, wird jedoch auf eine Probe gestellt, denn natürlich fliegt irgendwann der ganze Schwindel auf und Ina muss sich entscheiden.

Marianne Kaurin erzählt in kurzen prägnanten Sätzen aus Sicht von Ina, die die Arbeitslosigkeit ihrer Mutter und die Alkoholsucht von Vilmers Vater nahezu unkommentiert für sich sprechen lässt. Es geht jedoch auch um Scham aufgrund der Herkunft und den Wunsch dazuzugehören und Anteil zu haben. Ich denke, hieraus ergibt sich Diskussionspotenzial ebenso wie bei der Frage nach den “wahren Werten” im Leben. Daher halte ich das Buch auch geeignet als Schullektüre.

© Tintenhain


 


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Einzelband
Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
Verlag: Atrium Woow Books (13. März 2020)
Originaltitel: Syden
Übersetzung aus dem Norwegischen
: Franziska Hüther
ISBN-10: 3961770506
ISBN-13: 978-3-96177-050-2
Altersempfehlung: ab 11 Jahren
Preis: € 15,00 [D]
Bücherei
Cover Irgendwo ist immer Süden von Marianne Kaurin
Cover © Atrium Woow

3 Kommentare

  1. Hallo liebe Mona,

    eine, schöne Geschichte mit einer etwas geschönten Weltvorstellung/Einstellung….denn jeder möchte irgendwo dazu gehören……

    LG…Karin..

  2. Das hört sich super an. Ich hab es direkt mal auf meine Wunschliste gesetzt. Als Schullektüre ist es leider, gerade für meine Schüler fast ein bisschen teuer, aber vielleicht kommt da nochmal ein Taschenbuch raus.

    1. Da hast du natürlich recht – über den Preis habe ich an dieser Stelle gar nicht nachgedacht. Das geht dann natürlich nicht als Schullektüre. Wäre aber schön, wenn der Verlag da noch mal eine andere Ausgabe herausbringen würde.

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