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Alice Feeney: Manchmal lüge ich [Rezension]

Manchmal lüge ich Cover © Rowohlt Verlag
Cover © Rowohlt Verlag

Ich heiße Amber Reynolds. Drei Dinge sollten Sie über mich wissen:
1. Ich liege im Koma.
2. Mein Mann liebt mich nicht mehr.
3. Manchmal lüge ich.

(Klappentext)

Amber Reynolds ist 35 und verheiratet mit Paul, von dem sie sich sicher ist, dass er sie nicht liebt. Nach einem Unfall liegt sie im Koma und kann alles um sich herum hören. Sie kann sich nicht erinnern, was geschehen ist und wie sie hierhergekommen ist. Um ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen, ist sie voll und ganz auf die Gespräche in ihrem Krankenzimmer angewiesen. Sie kann sich nicht vorstellen, dass wirklich sie den Unfall selbst verursacht haben soll. Doch wie soll sie sich mitteilen? Immer mehr Fragen tauchen auf und mit einem Mal ist sich Amber sicher, dass ihr Leben in Gefahr ist.

Was für ein genial konstruierter Psychothriller! In drei Handlungssträngen nimmt uns Alice Feeney mit in Ambers Leben, das von Misstrauen, Ängsten, Manipulation und Intrigen geprägt ist. Es wird vom zweiten Weihnachtstag ausgehend im JETZT erzählt, wie Amber im Koma liegt und die Gedanken kreisen. Im Wechsel dazu erzählt die junge Frau, was in der Woche VORHER geschah und sie versucht sich dabei zu erinnern, wie sie in diese Situation geraten konnte.  Immer wieder lesen wir auch Tagebucheinträge von FRÜHER aus der Kindheit.

Es ist faszinierend, wie sich Stück für Stück immer mehr aus Ambers Vergangenheit öffnet und damit das Bild von heute konstruiert wird. Gleichzeitig ist die Atmosphäre beim Lesen beklemmend und stets von Misstrauen geprägt. Was ist mit Paul? Hat er eine Affäre? Welche Rolle spielt dabei Ambers Schwester Claire, die es immer schafft, zu bekommen, was sie will und stets das Lieblingskind der Eltern gewesen ist? Hat vielleicht alles damit zu tun, dass Amber ihrer längst vergessenen Jugendliebe über den Weg läuft? Und welche Rolle spielen ihre Kolleginnen, die exzentrische Radiomoderatorin Madeline Frost und die verständnisvolle Jo?

Der eher düstere, rein auf psychologische Spannung ausgelegte Thriller packt von der ersten Seite an. Die kurzen Kapitel mit wechselnder Zeitebene geben ein schnelles Tempo vor und verleiten dazu, doch statt einer Pause schnell noch ein Kapitelchen mehr zu lesen. Der Thriller ist dynamisch, mitreißend und kommt mit ungeahnten Twists. Man merkt, wie sehr man einer Ich-Erzählerin in dem, was sie preisgibt, vertraut, denn man hat nur diese eine Stimme. Umso verwirrender und unzuverlässiger ist es, wenn man feststellt, dass man dieser Stimme nicht mehr trauen kann. Plötzlich zieht man alles in Zweifel und das Gedankenkarussell beginnt sich zu drehen. Besonders verstärkt wird der Eindruck durch Ambers zwangsneurotische Handlungen, die von Anfang vermuten lassen, dass hier etwas im Argen liegt.

Die Figuren sind fein gezeichnet, doch muss man damit rechnen, dass man keinem seine volle Sympathie geben kann. Für Leser, die in der Protagonistin gern eine Freundin sehen oder unsympathischen Figuren nichts abgewinnen können, ist dieses Buch wohl eher nichts. Wer sich aber auf verwirrende Gedankenspiele, ungeahnte Wendungen, eine perfide Geschichte und explosive Spannung einlassen möchte, dem sei dieser Psychothriller dringend empfohlen. Am Ende möchte man glatt noch einmal von vorn anfangen, um auch jedes Detail aufnehmen zu können. Für mich definitiv eins der Highlights des Jahres!

© Tintenhain


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Einzelband
Taschenbuch: 384 Seiten
Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag (15. Dezember 2017)
Originaltitel: Sometimes I lie
Übersetzung aus dem Englischen: Karen Witthuhn
ISBN-10: 349927311X
ISBN-13: 978-3499273117
Preis: € 12,99 [D]
Rezensionsexemplar

Manchmal lüge ich Alice Feeney
Cover © Rowohlt Verlag

18 Kommentare

  1. Huhu,
    um das Buch schleiche ich schon eine Weile rum, konnte mir aber unter dem kargen Klapopentext nichts vorstellen – deine Rezension hilft da sehr viel weiter!
    Es klingt wahnsinnig spannend!

    Liebe Grüße,
    Linda

  2. Da es einen gewissen Trend macht, mache ich eigentlich einen Bogen um Bücher – im speziellen Thriller – die Amnesie als Schwerpunkt haben. Du hast mich jetzt aber verdammt neugierig gemacht und nun steht es auf der WuLi 😀 Und definitiv schaue ich hier morgen vorbei

    1. Ich würde sagen, dass der Schwerpunkt gar nicht unbedingt auf der Amnesie liegt, jedenfalls im Nachhinein betrachtet. Da faszinieren mich ganz andere Sachen, aber das darf ich nicht mal andeuten. Leider. Viel Glück morgen.

      1. Argh – du machst mich noch neugieriger! 😀
        Aber im Klappentext ist es Thema, ohne deine Besprechung hätte ich das Buch erstmal nicht weiter betrachtet ehrlich gesagt.

        Oh, mit Anlauf hüpf ich hinein 😉

  3. Pingback: Alice Feeney: Manchmal lüge ich [Verlosung] | Tintenhain
  4. Ein Buch das wahrlich aus der Masse heraussticht! Super Story, die mir als Psychothriller Buch und Fillm Fan sehr gefällt. Auch die Protagonistin scheint durch ihre Charakterzüge spannender als der aktuelle Mainstream.
    Liebe Grüße
    Joel von Büchervergleich.org

  5. Obwohl ich sehr selten Thriller lese, muss ich mir dieses Buch näher ansehen, denn deine Rezi macht mich echt neugierig!
    Danke für den Tipp!
    LG
    Tilly

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