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Björn Springorum: Der Ruf des Henkers [Rezension]

Ruf des Henkers
Cover © Thienemann Esslinger

Das viktorianische England, Mitte des 19. Jahrhunderts. Um seine große Liebe Elizabeth zu retten, stimmt Richard Winter zu, beim berüchtigsten Henker seiner Zeit in die Lehre zu gehen. William Calcraft führt den Jungen in die Henkerskunst ein und Richard muss lernen, dass Tod und Leid stetige Begleiter sind. Schon bald kommt Richard dem Geheimnis seines Meisters auf die Spur. Seine berüchtigte Grausamkeit hat einen Grund und ohne Richards Hilfe wird es bald sehr viel schlechter um die Welt bestellt sein. Doch als Richard in London ausgerechnet Elizabeth wieder trifft, steht ihre Mission auf Messers Schneide.


Björn Springorum entführt den Leser ins England des 19. Jahrhunderts und lässt ihn am einsamen, geächteten Leben eines Henkers teilhaben. Es ist die Zeit der öffentlichen Hinrichtungen, die als Abschreckung und Volksbelustigung zugleich dienen. Dabei greift er auf ein historisches Vorbild zurück: William Calcraft galt als aktivster und berüchtigster Henker seiner Zeit. Seine Grausamkeit rief sowohl grausiges Vergnügen als auch Abscheu hervor. Auch Springorums Henker muss sich mit den ihm entgegengebrachten gemischten Gefühlen der Bevölkerung abfinden. Seinen verachteten Beruf kann der Henker nur am Rande der Gesellschaft ausüben. Misstrauen, Hass und Ekel schlagen ihm gleichermaßen entgegen wie Respekt und Furcht. Springorum zeichnet hier konsequent ein realistisches und anschauliches Bild.

Auch die Schauplätze, vor allem in London, wo der größte Teil des Romans spielt, sind plastisch und detailliert beschrieben. In den Straßen Londons stinkt es erbärmlich, nachts ziehen Horden von Obdachlosen durch die Straßen und an jeder Ecke wird etwas feilgeboten und sei es nur Pferdedung. Die bittere Armut ist überall greifbar, das schreckliche Gefängnis von Newgate für viele derer letzte Station. Dennoch will die richtige Gaslampenatmosphäre oft nicht aufkommen. Vielleicht hätte hier ein an die damalige Zeit leicht angepasster Sprachgebrauch seine Wirkung entfalten können. Auch fehlten mir ab und an Stilmittel, mit denen man die Atmosphäre besser hätte transportieren können.

Erzählt wird der Roman aus Ich-Perspektive sowohl von Calcraft als auch von Richard, wobei der Anteil des letzteren deutlich überwiegt. So wird immer wieder Abwechslung ins Spiel gebracht, später auch ergänzt um Tagebucheinträge einer weiteren Figur. Springorum gelingt es, mit interessanten und griffigen Protagonisten, die einem sofort vertraut sind, eine spannende, historisch gut recherchierte Geschichte zu erzählen. Dabei vermischt er gekonnt wahre Begebenheiten mit phantastischen Elementen aus der Welt der Mythen und Sagen. Der Spannungsbogen wird von Anfang an konstant gehalten, langweilig wird es nie.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich kann es auf jeden Fall empfehlen.

© Tintenhain

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Rufdeshenkers
Cover © Thienemann Esslinger

Björn Springorum: Der Ruf des Henkers

Einzelband
Gebundene Ausgabe: 352 Seiten

Verlag: Thienemann Verlag (15. Februar 2016)
ISBN-10: 3522202163
ISBN-13: 978-3522202169
Altersempfehlung: ab 13 Jahren
Preis: € 14,99 [D]
Buchgewinn

10 Kommentare

  1. Hallo Mona,
    das klingt gut und ich könnte es mir auch gut als Hörbuch vorstellen.
    Ich werd es mir mal merken 🙂
    Danke für Deine Rezension,
    Liebe Grüße
    Ela

  2. Liebe Mona,
    eine wirklich sehr schöne Rezension, der ich mich nur anschließen kann.
    Der Henker war ein wirklich gutes, interessantes Buch, aber das Gewisse Etwas hat gefehlt. Für mich persönlich was das der Fantasy Anteil; der hat für mich nicht ganz reingepasst. Ein reiner historischer Roman wäre mir lieber gewesen.
    Ich muss meine Rezension auch noch abtippen, ich hoffe das schaffe ich diese Woche.
    Alles Liebe
    Sophie

    1. Dann bin ich mal gespannt. Das Fantastische passte für mich. Ich glaube, nur so konnte man diesen Henker sympathisch machen.
      Mir reicht es aber nicht, wenn es heißt, dass es neblig war oder, dass es stinkt. Das kann man auch geschickter beschreiben, so dass man das Gefühl bekommt, der Nebel krieche einem in die Knochen.

      1. Das kann ich verstehen, Mona.
        Ich fand ich auch so sympathisch, da eben deulich wurde, dass er es nicht aus Lust am Hängen macht, aber das macht auf alle Fälle Sinn, was du sagst.

  3. Hallo Mona,
    mit dem Buch habe ich auch schon geliebäugelt. Der Autor wirkt so sympathisch. Ob das nun ein Kaufkriterium ist? Sollte es wohl eher nicht 😉 Aber, deine Rezi macht Lust auf das Buch, und das zusammen dürfte dann aber wohl eines sein.
    LG
    Yvonne

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