Daniel Kehlmann: F [Lesung]
Daniel Kehlmann in Braunschweig, in der Geburtststadt Carl Friedrich Gauß’. Für den Chef des C1 Kinos war klar, dass er einen der Säle, in denen “Die Vermessung der Welt” aufgeführt wurde, zur Verfügung stellen würde. Mit ca. 200 Gästen war der Kinosaal jedoch nur mäßig gefüllt, ein kleinerer Rahmen hätte es auch getan.
Nach den einleitenden Worten des Chefs der Buchhandlung Graff betrat Daniel Kehlmann die schlecht ausgeleuchtete Bühne, schlug sein Buch “F” auf, erläuterte kurz, worum es ging und begann zu lesen. Ausdrucksstark, mit rollendem “R”, untermalt vom Dröhnen des Actionfilms im benachbarten Kinosaal.
Dann ein Sprung im Buch. Erklärende Worte und wieder ein fantastisch gelesenes Kapitel aus “F”, humorvoll geschrieben und hervorragend, fast schon selbstinszenierend, vorgetragen. Kehlmann schlug die Zuhörer in seinen Bann.
Dann klappte er das Buch zu, verbeugte sich und trat auf den in der ersten Reihe sitzenden Buchhändler zu, offensichtlich um sich zu setzen. Kein persönliches Wort ans Publikum. Dieser wiederum schien völlig perplex, überließ Herrn Kehlmann seinen Platz und wandte sich an die irritierten Zuhörer. Herr Kehlmann sei sehr unter Zeitdruck, müsse morgen nach New York und anschließend nach Amsterdam, entschuldigte er stammelnd den mehrfach ausgezeichneten Autor.
Sprachlosigkeit, dann plötzlicher Aufbruch.
Meine Freundinnen aus meinem Lesekreis und ich blieben noch ein wenig sitzen. Als die Rausschmeißermusik des Kinos einsetzte, erwarteten wir Gedränge vor dem Kinosaal, wo der Signiertisch aufgebaut war. Offensichtlich wollte niemand einen so vielbeschäftigten und distanzierten Autor belästigen. Wo wir Schlangen erwarteten, zeigte sich gähnende Leere.
Nur eine Stunde nach Beginn der Veranstaltung verließen wir das Kino mit einem etwas schalen Gefühl. Hätte man die 10€ Eintritt vielleicht doch lieber in das Hörbuch investieren sollen?
Wie üblich sind meine Fotos in dem dämmrigen Kinosaal eine Katastrophe, die besseren Bilder sind auf der Seite der Buchhandlung Graff zu finden.
© Tintenelfe
Guten Morgen,
ich bin gerade echt baff. Ich weiß ja, dass manche Menschen einfach nicht aus ihrer Haut raus können, aber Herr Kehlmann habe ich ganz anders eingeschätzt. Von einem Autor erwartet man bei solchen Veranstaltungen auch einfach ein anderes Verhalten. Sehr merkwürdig, aber dein Beitrag ist absolute spitze.
LG
Anja
Danke für diesen eindrücklichen Bericht, auch wenn es wirklich bedauerlich ist, dass Daniel Kehlmann sich scheinbar so wenig Zeit genommen hat. Ich habe bereits einige Lesungen besucht und mir ist so etwas – um ehrlich zu sein – noch nie passiert. Die Autoren, die ich erlebt habe, haben sich immer ausgesprochen viel Zeit genommen. für Fragen, aber auch fürs Signieren.
Echt seltsam, na ja, vielleicht ist er auch megaschüchtern und hat Angst vorm Publikum, soll’s ja geben…
Ich war auch da. Daniel Kehlmann hatte VORHER eine halbe Stunde lang signiert und mit dem Publikum gesprochen. Er war extrem höflich und liebenswürdig. Ein öffentliches Q&A nach der Lesung gab es auf Wunsch der Veranstalter nicht.
Hallo, ich kann leider nur ganz kurz antworten. Ich habe ja nicht gesagt, dass er unhöflich war. Ich und meine Begleiterinnen fanden die Veranstaltung ungewöhnlich und für uns hatte sie einen schalen Nachgeschmack. Das ist sicher Geschmackssache. Schön, dass es Dir gefallen hat. 🙂
Viele Grüße
die Tintenelfe
Ich habe das ganz anders erlebt. Ich habe mich vorher mit Herrn Kehlmann unterhalten, er war sehr freundlich und offen. Es war eine Veranstaltung ohne Fragen, das gibt es öfter, gerade in Buchhandlungen, das ist absolut nicht unüblich. Der Buchhändler, der die Schlußmoderation gemacht hat, war tatsächlich sehr verwirrt, aber das lag nicht an Kehlmanns Verhalten, er war schon am Anfang komisch drauf. Ich finde diesen Bericht ziemlich ungerecht, zumindest deckt er sich nicht mit meiner Erfahrung von der Sache.
Es freut mich, dass Dir die Veranstaltung rundum gefallen hat und Du auch die Möglichkeit für ein Gespräch hattest. Ich gehe auf sehr viele Lesungen und fand diese eben eher merkwürdig, das ist sicher Ansichtssache und hat mit Gerechtigkeit meiner Meinung nach nicht viel zu tun.
Danke für die Darstellung Deiner Sicht, hoffentlich erging es Vielen so wie Dir. 🙂
Viele Grüße
die Tintenelfe
Ein sehr anschaulicher Bericht 🙂 Schade, wenn man sich extra Zeit nimmt und dann läuft es auf so etwas hinaus. Die Lesung selbst hat ja überzeugt – vielleicht ist er wirklich einfach nur schüchtern … oder menschenscheu … oder erfreut sich an Spekulationen ^^
Liebe Grüße und noch einen schönen Sonntag!
Es war wundervoll gelesen, aber irgendwie war es dann doch keine runde Sache – für mich.
Andere haben das offensichtlich anders erlebt, aber ich kann nur aus meinem Erleben berichten. 🙂
Ich habe eine andere Perspektive auf die Ereignisse, wollte hier auch einen Bericht liefern, aber mein Kommentar wird nicht freigeschaltet. Schade. Zensur beginnt eben schon im alltäglich Kleinen.
Lieber PMK,
es tut mir Leid, dass Du den Eindruck gewonnen hast, dass Dein Kommentar zensiert wurde. Nichts liegt mir ferner und bis auf die unvermeidliche Spam wird alles freigeschaltet. Allerdings müssen Erstkommentatoren von Hand freigeschaltet werden und da dieses Dein erster Kommentar hier war, war das eben so.
Leider kann ich erst jetzt reagieren, da ich zur Zeit technische Probleme habe. Der Kehlmann-Bericht und auch der heutige Beitrag sind früher verfasst und dann automatisch online gegangen, da ich wusste, dass es in dieser Woche Schwierigkeiten geben würde, online zu gehen. Normalerweise antworte ich auch auf Kommentare. Vielleicht ist Dir augefallen, dass es bei diesen beiden letzten Beiträgen bisher nicht geschehen ist.
Es tut mir Leid, dass Du einen falschen Eindruck bekommen hast, den Vorwurf der Zensur halte ich jedoch für übereilt.
Viele Grüße
die Tintenelfe
Es muss nicht jede Lesung gleich ablaufen. Ich habe Herrn Kehlmann während der Signierzeit vor der Lesung als sehr angenehm empfunden. Anders als manche andere hatte er für jeden ein freundliches Wort und ein Lächeln. Weder diese Zeit noch die der Lesung schien ihm lästig oder schien ihn zu hetzen.
Der Vertreter der Buchhandlung war in der Tat nicht gut drauf, das sollte jemand besser hin bekommen. Und in der Tat hörte man leichte Geräusche aus dem Nachbarkino… gestört wirklich haben nur die menschlich und unangemessenen Körpergeräusche eines Besuchers…
Nein, natürlich läuft nicht jede Lesung gleich ab und ich denke, auch jeder nimmt das anders wahr. Ich hatte mir tatsächlich mehr erhofft und ich mag die Kinosaalatmosphäre auch nicht besonders gern (bei Lesungen).
Ich finde es im Nachhinein schade, dass die Eile und Kürze nicht erklärt wurde. Ein Kommentator hat sich ja dahingehend geäußert, dass Fragen aus dem Publikum vom Veranstalter (Wer genau ist das eigentlich? Der Verlag?) nicht gewollt gewesen seien. Warum erfährt man so etwas nicht?
Die Signierzeit VOR der eigentlichen Veranstaltung wurde auch nicht angekündigt, so wie überhaupt die Lesung nicht groß beworben wurde, was vielleicht die Zuhörerzahl erklärt.
Merkwürdig empfinde ich jedoch nach wie vor, dass Herr Kehlmann sich verbeugt und dann ohne ein Wort an das Publikum hingesetzt hat. Herr Wrensch schien wirklich selbst überrascht zu sein.
Nach wie vor begeistert bin ich von der Art, wie Herr Kehlmann seinen Text nahe gebracht hat – das war wirklich überzeugend. Die ganze Veranstaltung als solche für mich persönlich jedoch nicht rund.
Ich bin ja ganz froh, dass ich die genannten Körpergeräusche nicht hören musste. 🙂
Viele Grüße und danke für Deinen Kommentar!
Gab es eigentlich einen Bericht in der BZ? Ich bin in den Urlaub gefahren (meine technischen Probleme) und konnte sie nicht mehr lesen.
Edit: Habe gerade den Bericht von Herrn Jasper gefunden. Hier der Link:
http://www.braunschweiger-zeitung.de/kultur/buecher/daniel-und-der-zauberer-id1175835.html
Herr Kehlmann setzte sich nicht einfach hin. Nach der ersten Sequenz kündigte er einen Abschluss an und akzentuierte dann den zweiten Teil deutlich ausklingend.
Die Kommentare unter diesem Post finde ich ja fast am interessantesten :D.
Auch wenn ich keine Ahnung habe, worum es in “F” geht, hätte ich Daniel Kehlmann gerne mal lesen gehört. Ich bin ein großer Fan seines Schreibstils und ich höre immer gerne zu, wenn mal ein Autor selbst und nicht irgendein Hörbuchsprecher sein Buch liest. Es ist interessant zu hören, wie er die Stellen betont und interpretiert, die er selbst geschrieben hat.
Dass er nur so wenig Zeit für Fragen und persönliche Worte hatte ist natürlich schade, aber er ist ja auch ein international erfolgreicher Autor und hat sicher wirklich viel zu tun. Ich persönlich finde es auch immer schade,
(Sorry, hab aus Versehen auf “Kommentar abschicken” geklickt ^^.)
…wenn ein Autor nur so unpersönlich auftritt, als würde er einfach nur seine Liste von Lesungen abarbeiten, weil es nunmal zu seinem Job gehört und nicht, weil es ihm Spaß macht, aber vielleicht hatte er einen schlechten Tag oder wirklich mehr zu tun, als wir es uns vorstellen können :/?
Liebe Grüße
Charlie
Liebe Charlie,
wie wunderbar, mal wieder was von Dir zu lesen. Auf Deinem Blog ist es ja sehr ruhig geworden. 🙁
Ja, ich finde auch, dass die Kommentare das Interessanteste an diesem Post sind. Überhaupt, dass der kleine Bericht so ein Echo erfahren hat.
Ich war seitdem wieder auf zwei Lesungen (Andreas Eschbach und Sebastian Fitzek) und fühlte mich aufs Beste unterhalten. Ich finde schon, dass der Kontakt zum Publikum, sei es durch Fragen/Anworten oder auch nur ein bisschen Erzählen abseits vom Text, viel zum Charme von Lesungen beitragen.
Liebe Grüße
Mona