Ivonne Keller: Hirngespenster [Rezension]
Wie schreibt man über ein Buch, das einen so beeindruckt hat, dass man am liebsten alles genau erzählen möchte, ohne dabei zu viel zu verraten? „Hirngespenster“ von Ivonne Keller ist so ein Buch.
Drei Frauen, deren Schicksal miteinander verbunden ist, jede auf der Suche nach dem Lebensglück und doch unfähig das Schicksal in die Hand zu nehmen bis Silvie einen Unfall hat, der sie völlig abhängig von anderen macht und das Leben aller verändert…
Silvie könnte glücklich sein. Sie hat einen tollen Mann, der sich liebevoll um die beiden süßen Kinder kümmert und einen interessanten Beruf. Jedoch trauert Johannes noch immer seiner Jugendliebe Sabina hinterher, und auch Sabina konnte die Trennung nie verwinden. Silvies Schwester Anna hat jedoch ganz andere Probleme. Der Druck, eine perfekte Hausfrau und Mutter zu sein, nimmt ständig zu. Ihr Mann Matthias nörgelt nur an ihr herum, nichts kann sie ihm recht machen und die Kinder trampeln auf ihren Nerven herum. Den Alltag bewältigt sie nur noch mit Medikamenten, ihr entgleitet die Kontrolle und selbst die Nachbarn reden schon. Doch Hilfe will sie nicht und auch Silvie hat keine Chance an Anna heranzukommen.
Der Roman ist in drei Handlungsstränge gegliedert, die jeweils die Leben der drei Frauen Silvie, Anna und Sabina in Rückblenden beleuchten. Umgeben ist das Ganze von der Rahmenerzählung, in der Silvie nach ihrem Unfall aus der Ich-Perspektive versucht, herauszufinden, was geschehen ist und wie sie in ihre hilflose Position geraten ist.
Ivonne Keller zeichnet lebensnahe, authentische und vielschichtige Figuren, und auch wenn man so manches Mal deren Unglück, die Verzweiflung und Selbstaufgabe kaum auszuhalten vermag, so ziehen die Lebensgeschichten der drei Frauen den Leser unaufhaltsam in den Bann. So wie Silvie nach dem Unfall in einem Körper gefangen ist, der ihr nicht gehorchen will, so verharren auch bereits zuvor alle Personen in ihren jeweiligen Situationen, auf der Suche nach dem Glück, jedoch so fest in ihren Lebensmustern verwoben, dass sie kaum in der Lage sind, sich daraus zu befreien.
Kleine Lichtblicke geben Hoffnung und immer wieder lässt die Autorin kleine Momente aufblitzen, die neue Fragen aufwerfen, zu neuen Vermutungen anregen und Seite um Seite weiterlesen lassen.
Mit „Hirngespenster“ ist Ivonne Keller ein hervorragendes Debüt gelungen und ich bin sehr gespannt auf weitere Bücher der Autorin, die es versteht, mit kritischem Blick hinter Fassaden zu schauen und mit einfühlsamen Worten Verständnis für Menschen zu wecken, deren Leben nicht immer in geraden Bahnen verläuft und deren Entscheidungen so manches Kopfschütteln hervorrufen.
Das Buch bekommt von mir eine ausdrückliche Leseempfehlung. Ich freue mich, auf die Leserunde auf lovelybooks.de gestoßen zu sein, in die ich aufgrund meines Redebedürfnisses spontan eingestiegen bin. Die Leserunde wird sehr engagiert von der Autorin begleitet.
© Tintenhain
Taschenbuch: 416 Seiten
Verlag: Knaur TB (1. September 2014)
ISBN-10: 3426515490
ISBN-13: 978-3426515495
Preis: 8,99€ [D]
zuerst gelesen als eBook bei NeoBooks
Oh deine Rezension klingt spannend und macht Lust auf das Buch. Habe ich mir vorgemerkt 🙂 Keep up the good work x
LG Caro
http://lunchbreakadventures.wordpress.com/
Sag unbedingt, wie es dir gefallen hat! Ich will es demnächst meinen Lesekreisen vorstellen – jetzt wo man es als Taschenbuch kaufen kann. 🙂