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Timur Vermes: Er ist wieder da [Rezension]

 

Cover Timur Vermes Er ist wieder da
Cover © Eichborn Verlag

 

Sommer 2011. Adolf Hitler erwacht auf einem leeren Grundstück in Berlin-Mitte. Ohne Krieg, ohne Partei, ohne Eva, dafür unter Tausenden von Ausländern und Angela Merkel. 66 Jahre nach seinem vermeintlichen Ende startet er gegen jegliche Wahrscheinlichkeit eine neue Karriere im Fernsehen. Dieser Hitler ist keine Witzfigur, sondern erschreckend real. Und das Land, auf das er trifft, ist es auch: zynisch, hemmungslos erfolgsgeil und vollkommen chancenlos gegenüber dem Demagogen und der Sucht nach Quoten, Klicks und »Gefällt mir!«-Buttons.
Eine Persiflage? Eine Satire? Polit-Comedy? All das und mehr: Dieser Roman ist ein literarisches Kabinettstück erster Güte. (Inhaltsangabe © Eichborn Verlag)

Nach 66 Jahren erwacht der 1945 für tot erklärte Adolf Hitler auf einem verlassenen Grundstück in Berlin. Wie er dahin gekommen ist und durch welche Sprünge im Zeit-Raum-Kontinuum der Zeitsprung stattgefunden haben soll, ist völlig unerheblich und wird auch nicht weiter thematisiert, aber eins ist klar:
„Er ist wieder da!“

Zunächst hat Hitler etliche Anpassungsschwierigkeiten und versucht, sich im heutigen Berlin zurechtzufinden. Was immer ihm dabei begegnet, wird gnadenlos in sein unverändertes Weltbild eingepasst. So muss trotz des fehlenden Geschützdonners noch Krieg sein, da die Radfahrer mit durchlöcherten Helmen durch die Gegend fahren und die Türken sind wohl allen Widrigkeiten zum Trotz doch noch an der Seite der Deutschen in den Krieg eingetreten oder wo kommen die sonst alle her? Ein Kioskbesitzer nimmt sich seiner an und verhilft ihm nicht nur zu der Erkenntnis, dass er sich im Jahre 2011 befindet, sondern auch zu einem Vertrag bei einem Fernsehsender. Adolf Hitler ist schier begeistert, als er entdeckt, was man mit dem Fernsehfunk und vor allem auch diesem Internetz alles erreichen kann. Er hat den perfekten Türöffner für das Weiterverfolgen seiner politischen Pläne entdeckt und findet sich erstaunlich schnell zurecht, tatkräftig unterstützt von all jenen, die eigentlich Profit aus dem neu entdeckten Stern am Comedy-Himmel schlagen wollen.

Der Roman von Timur Vermes ist schon auf den ersten Blick ein echter Eyecatcher, das Cover lässt gar nicht erst Missverständnisse aufkommen, wer da wieder da ist. Spätestens der Blick auf den Preis von € 19,33 sollte letzte Zweifel ausräumen.

Timur Vermes ist es gelungen, einen intelligenten, satirisch-witzigen Roman über Hitler zu schreiben, ohne dabei in Klamauk abzurutschen. Er legt den Finger in die Wunden unserer Gesellschaft und zeigt  humorvoll, woran es nicht nur in politischer Hinsicht krankt. Manchmal muss man sich vor lauter Zustimmung besinnen, wer da eigentlich in der Ich-Person spricht und auch der Autor holt den Leser so manches Mal wieder auf den Boden der erschreckenden Realität zurück, wenn er Hitler einer Frau begegnen lässt, die ihre ganze Familie durch den Holocaust verloren hat. – Nicht, dass dieser hier auch nur ansatzweise seine Taten überdenken würde. Vermes zieht die Sichtweise Hitlers konsequent und unbarmherzig durch, mal erschütternd mal sehr erheiternd, zum Beispiel wenn er auf heutige Neonazis trifft und ihnen erst einmal ordentlich den Kopf wäscht: “Ein anständiger Deutscher hat hier nichts verloren.”

Das Hörbuch zu “Er ist wieder da” spricht passenderweise Christoph Maria Herbst, der “Stromberg”, mit dem Hitler zunächst beim “Blitzreinigung’s-Service Yilmaz” verwechselt wird.

© Tintenhain


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Gebundene Ausgabe: 400 Seiten
Verlag: Eichborn (21. September 2012)
ISBN-10: 3847905171
ISBN-13: 978-3847905172
Preis: 19,33 € (D)
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Cover Timur Vermes Er ist wieder da
Cover © Eichborn Verlag

12 Kommentare

  1. Liebe Elfe,
    genial! Ich freu mich jetzt schon auf das Buch! Deine Rezension bestätigt nurmehr, dass ich es jetzt noch dieses Jahr lesen muss :-)))
    Liebe Lesegrüße
    Sandra

  2. Hallo,
    ich habe das Buch auch gelesen und mir hat es sehr gut gefallen. Ich finde mit deine Rezension sehr treffend und gelungen.
    Liebe Grüße,
    Jai

  3. Tolle Besprechung, die bei mir große Lust auslöst, das Buch schnellstmöglich zu lesen! 🙂 Ich hatte es bisher noch gar nicht richtig auf dem Schirm, es klingt aber so toll, dass ich es nun doch sofort haben muss.

  4. Liebe Elfe,
    treffend beschrieben! Viele reden von Tabuverletzung und werfen die (akademische) Frage auf, ob man so humorvoll und satirisch mit dem größten Verbrecher der Menschheitsgeschichte umgehen darf. Ich halte das für Unsinn. Es gibt nicht den geringsten Grund, um irgendeinen Respekt vor ihm zu haben. Bereits zu seinen Lebzeiten haben sich Charlie Chaplin und Ernst Lubitsch abgrundtief über ihn lustig gemacht. Und der bislang unbekannte Autor Vermes beherrscht die Gradwanderung, kennt die Historie.
    Christoph Maria Herbst in der Hörbuchfassung halte ich allerdings für eine Fehlbesetzung. Er ist ein alberner Möchtegern-Schauspieler aus den Privatfernsehklamotten, noch nicht einmal die unverwechselbare Sprache Hitlers beherrscht er. Seine Betonungen liegen oft daneben, offensichtlich hat er den Text gar nicht begriffen. Kein Wunder bei einem unbegabten Schauspieler, der sich für die “Stromberg”-Rolle hergibt.
    Jedenfalls meint das der
    Monsignore

    1. Ich muss zugeben, ich kenne Christoph Maria Herbst nur aus “Stromberg” und ich glaube aus “(T) Raumschiff Surprise” (wenn ich mich nicht irre). Ich fand ihn ganz witizg. Keine Ahnung, wie gut er den Hitler immitiert. Bei “Switch” den habe ich auch mal gesehen, aber da weiß ich gar nicht, wie der heißt. (Vermes scheinbar auch nicht.) 🙂
      Ich gucke zu wenig fern. Der Trailer ist aber von Herbst gesprochen, oder? Aber Du hast schon Recht, so treffend kriegt er es nicht hin.
      Liebe Grüße
      die Tintenelfe

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