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Lucy Goacher: Abgrund – Du weißt, sie ist nicht gesprungen [Rezension]

Cover Lucy Goacher: Abgrund - Du weißt, sie ist nicht gesprungen
Cover © Rowohlt Verlag

Clementines Welt liegt in Trümmern. Ihre kleine Schwester ist tot. In einer sternklaren Nacht hat Poppy sich von einer Klippe gestürzt, die Untersuchungsergebnisse sind eindeutig. Doch Clementine zweifelt. Poppy, die Sonnenuntergänge liebte, die so gern zeichnete. Noch in der Nacht ihres Todes versuchte sie, Clementine anzurufen. Aber der Anruf lief ins Leere. Was wollte Poppy ihr sagen? Während ihre Eltern wie gelähmt sind vor Schmerz, findet Clementine keine Ruhe. Sie vertieft sich in Poppys Leben, versucht herauszufinden, was in ihren letzten Monaten passiert ist. Bald ist sie sicher: Poppy hat sich nicht umgebracht. Poppy wurde ermordet.Sie weiß, sie ist die einzige, die Poppys Mörder finden kann. Doch sie hat nicht viel Zeit. Denn während sie nach ihm sucht, kommt er ihr immer näher…  (Inhaltsangabe © Rowohlt Verlag)

Der Untersuchungsbericht von Polizei und Gerichtsmediziner ist eindeutig: Clementines Schwester Poppy hat sich von einer Klippe in den Abgrund gestürzt, um ihr Leben zu beenden. Clementine ist am Boden zerstört, denn Poppy hat an dem Abend noch versucht, sie zu erreichen und Clementine ist nicht ans Handy gegangen. Um sich abzulenken und anderen Menschen zu helfen, beginnt die junge Frau ehrenamtlich bei einer Helpline (Telefonseelsorge) zu arbeiten. Hier trifft sie auf Daniel, der einen ähnliche Verlust erlitten hat. Doch Daniel ist davon überzeugt, dass seine Schwester getötet wurde. Ihr Tod war kein Selbstmord! Nun kommen auch Clementine Zweifel am Suizid ihrer Schwester und sie beginnt zu recherchieren – nicht ahnend, dass der Poppys Mörder bereits ganz in ihrer Nähe ist.

Der Reiz des Thrillerdebüts von Lucy Goacher liegt vor allem darin, dass wir als Leserinnen und Leser aufgrund des Prologs bereits von Anfang an wissen, dass es sich bei Poppys Tod um einen heimtückischen Mord handelt. Die Spannung ergibt sich aus dem Rätsel um den Mörder und vor allem daraus, dass Clementine selbst in Gefahr ist. Schon lange nicht mehr habe ich mich bei einem Krimi/Thriller so enthusiastisch auf die “Jagd” begeben, natürlich nicht, ohne ständig meine Überzeugung zu wechseln und nacheinander alle männlichen Wesen in Clementines Umfeld mindestens einmal in Verdacht gehabt zu haben.

Lucy Goacher gelingt es, unverwechselbare, authentische Figuren zu schaffen, die ihren eigenen Motivationen folgen. Clementine, die eigentlich in statt in Großbritannien in den USA an der Harvard University sein sollte, um ihr Promotionsstudium fortzusetzen, geht die Recherchen auf sehr wissenschaftlich-akribische Weise an. Ihre Eltern hingegen haben mit der Feststellung des Suizides abgeschlossen. Das Warum schmerzt zu sehr, als dass sie sich weiter damit beschäftigen wollen. Das Leben muss weitergehen, das kleine Café, das ihren Lebensunterhalt sichert, muss weiter laufen. Die verschiedenen Strategien von Angehörigen im Umgang mit Suizid werden auch durch die Anruferinnen und Anrufer der Helpline immer wieder angerissen. Jude, ein Kollege bei der Helpline, versucht, Clementine zu helfen, sich nicht zu sehr in etwas hineinzusteigern. Daniel, der um seine Schwester trauert, findet Halt bei Clementine und endlich jemanden, der ihm glaubt.

Neben Clementines Erzählstimme kommen sehr kurz fünf weitere Frauen zu Wort, die natürlich alle in einem Zusammenhang mit Poppys Tod stehen. So wird schnell klar, dass Poppys Tod kein Zufall war, sondern einem Muster folgt. Und was hat es eigentlich mit Alexander auf sich, der immerzu im Café ihrer Eltern abhängt und zufällig in das Haus eingezogen ist, in dem Clementine zusammen mit ihrem neuen Mitbewohner Liam wohnt? Und warum hört Alexanders Mitbewohner ausdauernd laute Musik und man hat ihn noch nie gesehen?

“Abgrund” ist ein spannender Thriller, der anfangs ein wenig Zeit braucht, um richtig in Fahrt zu kommen, dann aber eine immense Sogwirkung entfaltet. Tatsächlich bleibt man anfangs nur bei der Stange, weil man schon weiß, dass Poppy ermordet wurde, während Clementine wie alle anderen der Polizei glaubt. Sobald sie sich jedoch mit Poppys Vergangenheit beschäftigt, mausert sich das Buch zum Pageturner. Wer Spaß daran hat, Verdächtige “abzuklopfen” und auf kleine Hinweise zu achten, der kommt hier auf seine Kosten. Ich bin sehr gespannt, was wir als Nächstes von Lucy Goacher lesen können.

© Tintenhain


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Taschenbuch: 496 Seiten
Originaltitel: The Edge (2022)
Übersetzung aus dem Englischen: Katharina Naumann
ISBN-10: 3499009757
ISBN-13: 978-3499009754
Preis: € 18,00 [D]
eBook: € 4,99 (Aktionszeitraum)
Rezensionsexemplar

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Cover © Rowohlt Verlag

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