Wendy Walker: Kalte Seele, dunkles Herz [Rezension]
Früh an einem Sonntagmorgen im Juli ist Cassandra – Cass – Tanner plötzlich wieder da. Sie steht auf der Türschwelle ihres Elternhauses und sagt immer wieder „Findet Emma!“
Drei Jahre zuvor waren die 15-jährige Cass und ihre zwei Jahre ältere Schwester Emma spurlos aus der Kleinstadt in Connecticut verschwunden. Niemand konnte sich erklären, was passiert war. Es gab keine Hinweise, keine Zeugen, nur Emmas Auto am Strand, daneben ihre Schuhe, die Autoschlüssel und ihr Portemonnaie auf dem Sitz. Die Ermittlungen liefen ins Leere, Emma und Cass blieben vermisst.
Nur die forensische FBI-Psychologin Dr. Abby Winter hatte schnell eine Theorie zu diesem ungewöhnlichen Fall, eine Theorie, die nur zu schmerzlich mit ihrer eigenen Kindheit und Jugend in Verbindung steht. Aber niemand glaubte an ihre Sicht der Dinge.
Jetzt erzählt Cassandra, was Emma und ihr widerfahren ist. Je mehr sie preisgibt, desto klarer erkennt Abby, dass etwas an Cass‘ Geschichte nicht stimmen kann. Und dass sie selbst die ganze Zeit über recht hatte: Cassandra und Emma sind in keiner „normalen“ Familie groß geworden. Ihr Leben schien nach außen unbeschwert, war aber im Inneren eine psychische Hölle. Perfekte Täuschung, unbarmherzige Manipulation. (Klappentext)
Eines Morgens steht Cass vor der Tür ihres Elternhauses, aus dem sie drei Jahre zuvor gemeinsam mit ihrer Schwester Emma spurlos verschwand. Während alle um sie herum wissen wollen, wo sie war und was in den letzten drei Jahren geschehen ist, liegt Cass jedoch nur eines am Herzen: Ihre Schwester Emma zu finden! Detailliert erzählt Cass von dem Abend, an dem sie mit ihrer Schwester verschwand, was in den letzten Jahren geschah und wie sie fliehen konnte.
Die FBI-Psychoilgon Abby Winter, die bereits beim Verschwinden der Mädchen hinzugezogen wurde, trägt seit Jahren eine Theorie zu Cass’ Familie und insbesondere zur Rolle der Mutter mit sich herum, jedoch wollte ihr bisher niemand glauben. An Cass’ Geschichte scheinen einige Dinge nicht zusammen zu passen, doch außer Abby, die ihre Theorie wieder einmal bestätigt findet, bemerkt das niemand.
Wendy Walker widmet sich in ihrem zweiten Thriller nach “Dark Memories – Nichts ist je vergessen” einem interessanten Thema der Psychologie, der narzisstischen Persönlichkeitsstörung und ihrer Auswirkung auf das Umfeld der Betroffenen. Eine Persönlichkeitsstörung, die oft nur schwer erkennbar und diagnostizierbar ist. Geschickt verpackt sie die Theorien in eine spannende Geschichte, bei der sich alles um Manipulation, Täuschung und emotionalen Missbrauch dreht und die Wahrheit immer dicht unter der Oberfläche lauert.
Wendy Walker steigt schnell ins Thema ein und setzt die Spannung sofort auf ein hohes Niveau. Dann versandet die Geschichte jedoch eine Zeitlang in Cass’ Berichterstattung, Rückblenden und der Erklärung, was genau in der Familie passiert ist, unterbrochen durch die Ich-Erzählerin Abby. Dabei wird sehr viel wiederholt, wodurch einerseits die Hintergründe klarer zu durchblicken sind, andererseits jedoch die Spannung auf der Strecke bleibt.
Cass’ Geschichte wird in der dritten Person erzählt. Das Mädchen erscheint undurchsichtig und man hat recht schnell das Gefühl, ihr nicht vertrauen zu können. Gleichzeitig ist sie jedoch so schutzbedürftig, dass man hofft, dass sich alles zum Guten wenden wird. Auch weiß man nicht, inwiefern sich die psychische Erkrankung der Mutter, die ja niemandem bewusst ist, bereits auf das junge Mädchen auswirkt.
Die Psychologin Abby, die eigentlich eine Schlüsselrolle inne hat, wird ihrer Rolle nur wenig gerecht. Sie bleibt blass und farblos, erst zum Schluss hin wird sie mehr als nur die Erklärerin einer Theorie werden.
So steigt zum Ende die Spannung auch wieder steil an und jettet auf einen überwältigenden Showdown zu, der mehr als nur eine Überraschung birgt.
Die Idee zum Thriller ist grandios und sehr anspruchsvoll. Die Story ist geschickt konstruiert, auch wenn dem Leser in der Umsetzung vielleicht mehr zugetraut hätte werden können, um Längen und Wiederholungen zu vermeiden. Leider wird Wendy Walker ihrem eigenen Anspruch nicht durchgehend gerecht.
“Kalte Seele, dunkles Herz” ist ein lesenswerter Thriller für Leser, die gern in die Psyche anderer Menschen eintauchen.
© Tintenhain
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Hallo,
danke für deine Verlinkung. 🙂
Wir sind uns ja ziemlich einig mit unserer Meinung. Sehr schöne Rezension. 🙂
Liebe Grüße
Diana
Hallo Mona,
da hast du mich echt neugierig gemacht, habe mir “Dark Memories – Nichts ist je vergessen” gleich in der Bücherei reserviert. “Kalte Seele, dunkles Herz” ist leider nicht verfügbar.
Liebe Grüße
Katja
Das klingt so perfekt für mich w Das liegt schon seit ein paar Wochen auf meiner Wunschliste! Super schöne Rezi :3