Stephen King: Es [Rezension]
Lang, lang ist’s her, dass ich alles von Stephen King verschlungen habe, was mir in die Hände fiel. Vor einiger Zeit hatte ich ja mal hier darüber berichtet. “Es” war dabei immer mein Lieblingsbuch und als nun Henni und Lotta zum gemeinsamen Lesen von “Es” aufriefen, dachte ich mir, dass es Zeit wäre, alte Zeiten wieder aufleben zu lassen.
In Derry, Maine, geht das Grauen um. Wieder einmal versetzt eine Welle mysteriöser Morde die Bewohner in Angst und Schrecken. Der Bibliothekar Mike Hanlon ist sich sicher: ES ist zurück. Mike trommelt seine Freunde zusammen, mit denen er 27 Jahre zuvor bereits dem Grauen, das unter der Stadt lebt und sich von Angst und Schrecken nährt, entgegen getreten ist. Die sieben Freunde, die damals ihre Außenseiterrolle und die ständige Flucht vor ihrem grausamen Peiniger Henry Bowers zusammengeschweißt hat, erinnern sich nur langsam an den heißen Sommer, in dem sie ES schon einmal die Stirn geboten haben.
Stephen King kann meisterhaft erzählen. Beginnend mit den sechs Anrufen bei den Freunden von früher, wird die Geschichte von damals zeitgleich mit den aktuellen Ereignissen aufgerollt. Dabei lernt man die Charaktere so gut kennen, dass man das Gefühl hat, selbst alte Freunde wiederzutreffen. Bis ins Detail ersteht so die Kindheit der sieben Außenseiter wieder auf, und die Atmosphäre des heißen Sommers mit den unfassbar grausamen Morden ist nahezu greifbar. Ganz nebenbei vermittelt King ein Gefühl für den Sound und das Lebensgefühl der 50er Jahre. Anhand unzähliger kleiner Szenen werden sämtliche Haupt- und Nebenfiguren charakterisiert und somit unverwechselbar und einprägsam dem Leser präsentiert. King muss nicht sagen, dass Henry Bowers, dessen Mobbing-Methoden an Wahnsinn grenzen, grausam und gewissenlos ist. Er lässt es den Leser selbst erleben.
“Es” ist sicher eines der King-Bücher mit den meisten Horrorvisionen, Ekelszenen und abgetrennten Gliedmaßen. Dennoch bleibt es dem Leser überlassen, wie sehr er diese Szenen vor dem inneren Auge visualisiert. So lag für mich das Augenmerk viel stärker auf der Entwicklung der Charaktere und der geschickten Verflechtung der Zeitebenen als auf einzelnen Szenen. Diese ließen zumindest aber nicht vergessen, was für einer unglaublich unmenschlichen Bedrohung sich die Kinder ausgesetzt sahen. Auch wenn “Es” meistens mit Pennywise, dem Clown assoziiert wird, so ist “Es” doch die Summe aller Ängste, denen sich Menschen egal, ob rational oder wider der Vernunft ausgesetzt sehen. Sei es nun das Monster unter dem Bett, das unheimliche Gurgeln des Abflusses, ein Werwolf oder der Alptraum von letzter Nacht, “Es” zeigt sich als das, wovor man sich am meisten fürchtet.
Doch nicht nur was die Gruselszenen betrifft, lässt King einen manchmal zusammenzucken. Auch sprachlich nimmt der King of Horror kein Blatt vor den Mund. Da wird geflucht, gerotzt und gef*ckt, bis einem ganz anders wird. Allerdings ist das wiederum der normale King-Tonfall. (So hat es mich dann auch nicht überrascht, dass Stephen King auch live in Hamburg verdammt noch mal gern das F-Wort benutzt hat.) Aber es gibt auch die vielen leisen Töne, die den Wert von Liebe und Freundschaft verlauten lassen und die zeigen, dass es wert ist, das Böse zu bekämpfen.
Die ungekürzte Neuauflage von 2011 ist sprachlich überarbeitet worden, was sich besonders auffällig bei der Namensgebung, die sich nun mehr an das Original hält, zeigt. Vielleicht lag es auch an der “Langversion”, dass ich manche Szenen doch als langatmig empfand und gerade zum Schluss hin dachte, dass wir endlich mal zum Showdown kommen könnten. So hatte ich das zumindest von der früheren Ausgabe her nicht in Erinnerung. Mehr Informationen zur Neuübersetzung bekommt ihr in der King-Wiki.
© Tintenhain
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Taschenbuch: 1536 Seiten
Verlag: Heyne Verlag; vollständ. überarb. Auflage 2011
Originaltitel: It
Übersetzung aus dem Amerikanischen:
Alexandra von Reinhardt, Joachim Körber
Bearbeitung und Neuübersetzung: Anja Heppelmann
ISBN-10: 345343577X
ISBN-13: 978-3453435773
Preis: € 14,99 [D]
Bücherei
Ich kann mir das gut vorstellen, dass es beim zweiten Mal anders ist 🙂
Ich hab “Needful Things” von Stephen King ein zweites Mal gelesen und ebenfalls festgestellt, dass es definitiv nicht mehr dasselbe war, wie in meiner Jugend.
Das lag zum einen an der Fantasie, die damals vielleicht etwas sensibler war, zum anderen vielleicht aber auch daran, dass ich den Inhalt nun kannte.
Gefallen hat es mir aber immer noch 🙂
LG Ela
Ich war erstaunt an wie vieles ich mich noch erinnern konnte. Das liegt sicher daran, dass er so intensiv die Charaktere beschreibt und gewissermaßen ein Lebensgefühl vermittelt. Wie oft vergesse ich sonst innerhalb weniger Wochen Buchinhalte!
Eine ganz tolle Rezension – da werden Erinnerungen wach!!! 🙂
Ich muss das Buch auch unbedingt nochmal lesen, das fand ich damals ja richtig crass ^^
Liebste Grüße, Aleshanee
Hab das Buch vor 20 Jahren gelesen und kann mich irgendwie nur noch an die Hauptpersonen, aber kaum noch an die Handlung und an den Horror erinnern. Vielleicht sollte ich es auch mal wieder auspacken. Bei uns an der Schule war das Buch damals Kult 😉
Ich konnte mich auch am besten an die Personen erinnern. Spricht wirklich für die brilliante Charakterdarstellung. 🙂
Dieses Buch war mein erster Roman von King und hat mich direkt in seinen Bann gezogen. Seitdem lese ich regelmäßig seine Bücher, Es gehört aber nach wie vor zu meinen Lieblingsbüchern vor ihm. Allein die Szene mit Pennywise, Georgie und den Balloons am Anfang ist der Hammer.
Wie genau meinst du das, dass die Neubearbeitung näher am Original ist? Wurden Namen verändert bzw. beibehalten? Ich wäre über Beispiele dankbar, wenn du sie gerade parat hast.
Die Neubearbeitung ist umfangreicher und nicht gekürzt. Es handelt sich dabei wohl um eine Neuübersetzung. Außerdem wurden, wie Du schon vermutet hast, Namen beibehalten. So heißt Beverlys Mann Tom Rogan, nicht Huggins und die Witcham Street heißt Witcham Road. Ob es noch mehr Unterschiede gibt, weiß ich gerade nicht. Ich habe nur am Anfang mal die beiden Ausgaben verglichen.
Ich habe gerade noch mal im Netz gestöbert. Schau mal hier.
Danke für die Infos. Da habe ich anscheinend eine gekürzte Fassung, allerdings ist diese auch knapp 1200 Seiten lang, also scheint ja nicht soooo viel zu fehlen 😛
Wenn ich es richtig verstanden habe, sind es nicht ganze Passagen, die gefehlt haben, sondern Teilsätze oder einzelne Sätze. Inhaltlich dürftest Du also nichts verpasst haben.
Ich habe in letzter Zeit auch Rezensionen zu dem Buch gelesen, die das Buch zu langatmig fanden. Vielleicht ist das ja der “Langversion” zu geschuldet.