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Michail Bulgakow: Der Meister und Margarita [Rezension]

Im “Buchclub” haben wir zuletzt „Der Meister und Margarita“ von Michail Bulgakow gelesen. Der Roman zählt als Lebenswerk des russischen Autors, der in den Jahren 1929 bis zu seinem Tode 1940 an dieser satirisch-grotesken Variation des Faust-Motivs schrieb. Erst im Jahre 1966 wurde „Der Meister und Margarita“ in einer Literaturzeitschrift in Fortsetzungen in der Sowjetunion veröffentlicht und das auch nur in zensierter Form. Die Leserschaft war begeistert und bald schon wurden in Wohnzimmerlesungen die Hand geschriebenen, zensierten Stellen gelesen und verbreitet. Die vollständige Ausgabe des Textes erschien erstmals 1973.

Meister und Margarita Cover © dtv Verlag
Cover © dtv Verlag

„Ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“

Im Moskau der 30er Jahre ist der Teufel los. Der Literat Berlioz und der Poet Besdomny begegnen ihm in Gestalt eines merkwürdigen Ausländers an einem lauen Sommerabend und werden von ihm in ein Gespräch über die Existenz Gottes, Jesu und der wahren Begebenheiten um dessen Verurteilung durch Pontius Pilatus verwickelt. Berlioz zeigt sich ungläubig und verliert daraufhin, wie von dem geheimnisvollen Ausländer prophezeit, bei einem Unfall den Kopf.

Dies löst eine Aneinanderreihung und kunstvolle Verkettung grotesker Ereignisse aus, die nicht nur die Künstlerszene Moskaus auf den Kopf stellt. Besdomny, der den Verstand zu verlieren scheint, wird in eine psychiatrische Klinik eingeliefert, wo er einem Schriftsteller begegnet, der sich „Der Meister“ nennt. Die Ablehnung und Verunglimpfung seines Manuskriptes über „Pontius Pilatus“ hat ihn um den Verstand gebracht. Seine Geliebte, Margarita Nikolajewna, jedoch gibt den Meister nicht auf und tut alles, um wieder bei ihrem Liebsten sein zu können.


Soweit der schlichte Versuch, den Inhalt des Buches ansatzweise zu beschreiben. Keine einfache Aufgabe, denn „Der Meister und Margarita“ ist ein vielschichtiger Roman mit mehreren Handlungsebenen und unzähligen Handlungssträngen, deren Zusammenhänge sich erst nach und nach offenbaren.

Zum einen wird das Treiben des Teufels und seiner Gehilfen in Moskau beschrieben. Die einzelnen Erzählstränge mit unterschiedlichen Personen spiegeln das Leben in den 30er Jahren mit absurden bürokratischen Hürden, beschönigenden Umschreibungen („zweiter Frischegrad von Fisch“), Wohnungsnot und dem Versuch der Bürger, sich dem Staate anzupassen, wider. Zuweilen wirkt die Handlung hier so wirr, wie das Chaos, dass der Teufel in der Stadt verbreitet und so mystisch wie seine Zaubervorstellungen in einem Varieté. Erst mit der Zeit werden die Zusammenhänge klarer.

Die zweite Handlungsebene ist Geschichte von Verhör und Kreuzigung Jeschua Ha-Nozris (Jesus Christus) und der Ermordung Judas’, mal erzählt vom anwesend gewesenen Teufel persönlich und mal als Ausschnitt aus dem Roman des Meisters. Das zentrale Motiv, das sich durch alle Handlungsebenen zieht und das besonders zum Schluss des Romans immer wieder auftaucht, ist die Feigheit “als größte Sünde”.

Bulgakow schreibt flüssig und macht das manchmal kompliziert wirkende Werk zu einem Leseerlebnis. Jedoch muss man sich dafür erst einmal auf die komplexen Vorkommnisse einlassen und einen Weg finden, die Personen mit ähnlich klingenden Namen wie Iwan Nikolajewitsch, Nikolaj Iwanowitsch und Nikanor Iwanowitsch auseinanderzuhalten.

“Der Meister und Margarita” eignet sich hervorragend zum gemeinsamen Lesen und Diskutieren für Lesekreise.

© Tintenhain

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Michail Bulgakow: Der Meister und Margarita

Einzelband
Taschenbuch: 608 Seiten
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft (1. April 2014)
Originaltitel: Master i Margarita
Übersetzung aus dem Russischen: Alexander Nitzberg
ISBN-10: 3423143010
ISBN-13: 978-3423143011
Preis: € 12,90 [D]
Kauf
Cover (c) dtv Verlag
Cover © dtv Verlag

 

 

8 Kommentare

  1. Danke für diese Rezi, ich habe mich schon seit längerer Zeit richtig darauf gefreut, dass du über dieses Buch schreibst :D.
    Besonders, da es sehr polarisiert – einige (darunter offenbar auch wir zwei) – finden es genial, für andere liest es sich wie ein wirrer Opiumtripp.
    Wobei ich es auf Russisch gelesen habe – da waren alle Namen schön verschieden. Nur in der deutschen Übersetzung wirken sie so ähnlich.

    1. Naja, manchmal liest es sich schon wie ein wirrer Opiumtripp! *lach* Das ist ja spannend, dass die Namen im Original anders sind. Ich kann eigentlich ganz gut mit den russischen Namen und auch ihren Koseformen umgehen, aber hier musste ich schon immer wieder sortieren. Mein Schulrussisch hat nur noch für die Übersetzung von “Besdomny” gereicht. 🙂

      1. Für mich ist es ja kein Schulrussisch, sondern meine Muttersprache. Habe das Buch auch im Original gelesen und da wirkt ein Nikolai I. eben völlig anders als ein Ivan N. 🙂

      2. Ja, das stimmt, ich habe auch versucht mich auf den Vornamen zu konzentrieren, obwohl ich ja finde, dass die Vatersnamen so schön klingen. 🙂

  2. Erst letztens hat sich auf meinem Blog eine Diskussion zu genau diesem Buch entwickelt. Um so spannender empfand ich es, deine Besprechung zu lesen. Ich möchte “Der Meister und Margarita” möglichst bald auch selbst lesen und freue mich schon sehr. “Wirrer Opiumtripp” klingt auf jeden Fall aufregend. 😉

      1. Bei den “Fünf Fragen an Julya Rabinowich” haben wir darüber diskutiert, da es in der VOLLTEXT einen Artikel von ihr genau zu diesem Buch gab, zu der neuesten Übersetzung von “Der Meister und Margarita”. Wenn dich der Artikel interessiert, kann ich ihn dir gerne per E-Mail senden. 🙂

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