Tintenhain – Der Buchblog

Irène Némirovsky: Suite française [Tintenspritzer]

Suite française Cover (c) btb Verlag
Cover © btb Verlag

Sommer 1940: Die deutsche Armee steht vor Paris. Voller Panik packen die Menschen ihre letzten Habseligkeiten zusammen und fliehen. Angesichts der existentiellen Bedrohung zeigen sie ihren wahren Charakter … (Klappentext)

Was für ein Buch! Ich muss zugeben, zunächst hatte ich mich geweigert, es zu lesen. “Suite française” stand im Juni auf der Leseliste für meinen Lesekreis und ich hatte so gar keine Lust darauf. Das Cover hat mich nicht angsprochen und ich war der Meinung, dass ein vermeintlich traurig-graues Jammerkriegsbuch mir nur auf die Stimmung drücken würde. Als wir uns trafen, hatte die Hälfte aus persönlichen Gründen abgesagt und von den verbliebenen drei Frauen (inklusive meiner Wenigkeit) nur eine das Buch gelesen. Diese erzählte dann aber so begeistert, dass ich dem Buch dann doch ein Chance gab. Und es hat sich gelohnt…

Bei “Suite française” handelt es sich um ein erst vor einigen Jahren entdecktes, unvollendetes Manuskript von Irène Némirovsky, die 1942 in Auschwitz ums Leben kam. Das Buch war ursprünglich auf fünf Teile angelegt und leider wurden nur die ersten beiden vollendet.

Im ersten Teil beschreibt die Autorin, wie zu Beginn des Blitzkrieges gegen Frankreich, die Pariser Bevölkerung in Panik die Stadt verlässt und versucht, ihr Leben und das wichtigeste Hab und Gut in der Provinz zu schützen. Mit genauer Beobachtungsgabe beschreibt sie verschiedene Personengruppen und charakterisiert treffend die Eigenheiten der Angehörigen des Pariser Bürgertums; ihre Ängste, ihre Sorgen, die sich so wehr unterscheiden, wie die Menschen selbst.

Der zweite Teil beschreibt sehr anschaulich und einfühlsam, welche Konflikte die Zeit der deutschen Besatzung im Anschluss an die Kapitulation Frankreichs mit sich brachte. Sind die jungen deutschen Soldaten zwar verhasst und gefürchtet, so zeigt sich doch immer wieder Menschlichkeit und Fürsorge, ja sogar Liebe auf beiden Seiten. Kollaboration, Kriegsgefangenschaft, Neid, Missgunst und die Frage, wo man selber bleibt, sind zentrale Themen.

Das Buch hat mich sehr berührt und meine anfänglich geschilderten Vorurteile in jeder Hinsicht widerlegt. Wie gern hätte ich noch erfahren, wie es in den Teilen “Gefangenschaft”, “Schlachten” und vor allem “Frieden” (so die Arbeitstitel) weiter gegangen wäre.

©Tintenhain

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Einzelband
Taschenbuch: 510 Seiten
Verlag: btb; Auflage: 1. (2. April 2007)
Originaltitel: Suite française
Übersetzung aus dem Französischen: Eva Moldenhauer
ISBN-10: 3442736447
ISBN-13: 978-3442736447
Preis: € 10,99 [D]
Kauf
Cover (c) btb Verlag
Cover © btb Verlag

8 Kommentare

  1. Hallo Tintenelfe! Eine tolle Rezension hast Du da geschrieben, die mich neugierig auf das Buch macht! Denn ich muss gestehen: Mir geht es ein wenig wie Dir anfangs – ich habe auch so leise Zweifel, ob mir das Buch wohl gefällt. Aber vielleicht geht es mir wie Dir und es begeistert mich?!

  2. Ich habe dieses Buch auch seit längerer Zeit in meinem SUB und auch noch einige andere Bücher von Iréne Némirovsky. Aber ein paar ihrer Bücher habe ich früher mal gelesen und die haben mir sehr gut gefallen; ihre Geschichten haben immer etwas zu sagen und sind teilweise psychologisch; es ist genau das, was ich beim Lesen bevorzuge.
    Alles Liebe
    Nachtpoetin

      1. Ja genau – “Der Ball”! Meiner Meinung nach war gerade diese eine tolle Geschichte! Mich hat sie ziemlich beeindruckt aber da sieht man wieder, wie unterschiedlich die Geschmäcke sind und zwar in allen Bereichen des Lebens.
        Früher zum Beispiel habe ich selbst sehr viele Thriller gelesen, ich habe sie regelrecht verschlungen. Mittlerweile hat sich das geändert, ich mag keinen einzigen mehr lesen, egal, wie spannend und gut geschrieben er ist. Auch keine Krimis, Mord und Totschlag. Leider ist man mit diesen Themen auch im realen Leben oft konfrontiert, so muss ich nicht auch noch Bücher darüber lesen.
        Aber wie gesagt: Jeder soll lesen, was ihm am besten gefällt, woran er Spaß hat. Das ist immer eine subjektive Entscheidung. So findet jedes Buch seine Leser – gut so!
        Alles Liebe
        Nachpoetin

      2. In meinem Lesekreis hat vielen “Der Ball” sehr gut gefallen. In Lesekreisen ist es nur manchmal auch so, dass man nicht in der rechten Stimmung ist und das Buch trotzdem lesen muss. Das ist dem Buch gegenüber oft nicht gerecht.
        Thriller lese ich erst seit kurzem wieder. Einige Jahre habe ich Krimis und Thriller eher gemieden, aus den gleichen Gründen wie du. Gewalt- und Ekelsszenen sowie dargestellte Brutalität lehne ich nach wie vor ab und versuche, diese Bücher zu meiden. Im Moment mag ich es jedoch gern sehr spannend.
        Liebe Grüße
        Mona

      3. Ich denke, so ein Lesekreis wäre nichts für mich, denn ich lasse mir ungern vorschreiben, was ich lesen möchte, bzw. mir das Lesen eines Buches “aufzwingen”, bloß weil dieses vielleicht gerade eine Neuerscheinung ist oder mit irgendeinem Preis ausgezeichnet wurde, oder weil es vielen anderen Lesern gut gefällt. Ich könnte z. B. auch kein Buch zu Ende lesen, das mich nicht von Anfang an oder zumindest nach den ersten 50 Seiten (ich bin eben großzügig! 🙂 ) nicht fasziniert oder mein Interesse weckt. Das wäre eine Qual, besser gesagt reine Zeitverschwendung, wo es doch noch sooooo viel zu lesen gibt.
        Aber ich denke mir schon, dass es im Lesekreis auch oder fast in erster Linie um soziale Aspekte geht. Das Miteinander, der gemeinsame Lesestoff, die Kommunikation, die abschließende Besprechung, der Meinungsaustausch, das Sich-besser-Kennenlernen innerhalb des Kreises. Das ist sicher toll, aber vermutlich auch nicht jedermanns Sache. Jeder, was er mag und wie er mag.
        Ich finde deine Seite interessant, weil du ja an sich nicht nur Bücher, die du für dich selbst aussuchst, rezensierst, sondern auch jene, die in deinem Lesekreis oder Buchclub von den anderen Teilnehmern ausgesucht werden. So ist dein Blog sehr vielfältig und für eine breitere Leserschaft sehr ansprechend.
        Gerne werde ich zukünftig deine Leseberichte verfolgen, um das eine oder andere für mich interessante Buch auf meine Merkliste zu setzen.
        Vielen Dank, dass du deine Leseerlebnisse mit uns teilst!
        Alles Liebe
        Nachtpoetin

      4. Ja, es geht hauptsächlich darum, über Bücher zu sprechen und das ist eigentlich umso spannender je mehr die Meinungen auseinander gehen. Wenn mir ein Buch nicht zusagt, lese ich es auch nicht, meistens gebe ich ihm aber ein Chance und ich bin so manches Mal positiv überrascht worden.
        Gerade lese ich eins, das ich zunehmend grauenvoll finde. Vermutlich breche ich es ab, das ist aber auch in Ordnung. Nebenher geht es auch immer um Bücher, die man außerdem liest und anderen empfehlen möchte… und ums Essen. 😀
        Ich genieße es sehr, mich mit anderen auszutauschen und man pendelt sich auch nach einer Zeit aufeinander ein. Daher passt das mit der Auswahl auch meistens, weil wir schon wissen, wem was nicht gefällt.
        LG
        Mona

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