Ilsa J. Bick: Der Zeichner der Finsternis [Rezension]
„Was ich zeichne, wird lebendig. Und manchmal bringe ich damit jemanden um. So wie letzte Nacht.“
Die ersten Sätze des Klappentextes fassen grob die Einleitung des siebzehnjährigen Christian zu seiner Geschichte zusammen. Christians Eltern sind in frühester Kindheit aus seinem Leben verschwunden, seitdem zeichnet er die Augen seiner Mutter, mit der Hoffnung so sehen zu können, was sie sieht und einen Blick auf die andere Seite erhaschen zu können. Und manchmal bekommt er beim Zeichnen, für das er eine außergewöhnliche Begabung zeigt, auch Visionen der schlimmsten Alpträume seiner Mitmenschen.
Eines Morgens wacht Christian mit Farbresten unter den Fingernägeln auf und entdeckt auf seinem Skizzenblock neue Zeichnungen, an deren Entstehung er sich nicht erinnern kann. Es wird angeklagt, die Scheune des reichen Fabrikbesitzers Eisenmann mit roter Farbe und Hakenkreuzen beschmiert zu haben, kann sich aber an nichts erinnern. Stück für Stück kommt Christian mithilfe seiner Visionen, deren Ursprung ihm zunächst unklar sind, und durch Recherchen im Stadtarchiv einem dunklen Geheimnis auf die Spur.
Ich bin auf dieses Buch aufgrund seines ansprechenden und geheimnisvollen Covers im Buchladen aufmerksam geworden, die Autorin sagte mir bis dahin nichts. Eine reine Zufallsbegegnung, über die ich mich im Nachhinein sehr freue. Die meiner Meinung nach ausdrucksvolle Aufmachung des Covers setzt sich im Buch durch die grau schattierten Kapitelanfänge fort. Meine Tochter fragte, warum die Seiten angekokelt seien, was mich schmunzeln ließ, da ich bisher auf dies Idee noch nicht gekommen war, aber inhaltlich passt es hervorragend.
Das Buch ist vorrangig aus der Sicht Christians geschrieben, in seinen Träumen wird der Leser aber auch in andere Personen versetzt, was einen Reiz des Buches ausmacht. Zu Anfang kam mir die Handlung der Gegenwart sehr konstruiert vor, als Mittel zum Zweck, die Handlung in der Vergangenheit erzählen zu können. Nach einer Weile verlor sich dieser Eindruck jedoch und das Geschehen schlug mich in seinen Bann und ich war begierig mit Christian die Geschehnisse aus früheren Zeiten zu rekonstruieren. Dass hier zeitliche Geschichte mit Übersinnlichem, Mystischem und Horrorelementen vermischt werden, fand ich einerseits überraschend, aber zum Teil auch recht passend. Was mich etwas störte, war die metaphorische Namensgebung, das war mir zu dick aufgetragen, wobei ich schon im Blick habe, dass Ilsa J. Bick eine amerikanische Autorin ist und sich vielleicht nicht unbedingt überlegt hat, wie das deutsche Publikum darauf reagiert.
„Der Zeichner der Finsternis“ erinnert mich im Nachhinein an Antonia Michaelis’ „Wolfsgarten“, ein Jugendroman, der ebenso Mystisches mit Historie verbindet.
@Tintenelfe
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