Tintenhain – Der Buchblog

Ju Honisch: Blutfelsen [Rezension]

Cover Blutfelsen © Droemer Knaur Verlag
Cover © Droemer Knaur Verlag

Gegen jede Wahrscheinlichkeit gelangt Deruonn in den schwer zugänglichen Talkessel, in dem die Geheime Bibliothek Reyalun liegt, abgeschottet und verborgen vor der Welt. Nur einem einzigen Zweck gewidmet: alles Wissen zu bewahren, das im ewigen Krieg draußen verloren geht. Die junge Archivarin Shernay weiß, welches Schicksal einem Eindringling widerfährt, und gegen jede Vernunft beschließt sie, Deruonn zu retten. Als ihr Verstoß gegen das eherne Gesetz der Bibliothek entdeckt wird, bleibt Shernay keine Wahl, als mit dem faszinierenden Fremden zu fliehen. Die Welt außerhalb Reyaluns ist jedoch unberechenbar und brutal.
Das Wissen in Shernays Kopf wird zur Ware und zu der Waffe, die jeder Seite den Sieg bringen könnte… (Klappentext “Blutfelsen”)

Wider besseres Wissen beschließt die Archivarin Shernay, niemandem von dem jungen Mann zu erzählen, den sie eines Tages verletzt in ihrem abgeschiedenen Bergtal findet. Das Tal, in dem sich die geheime Bibliothek Reyaluns befindet, ist für die Außenwelt Legende und so soll es auch bleiben. Die Bewohnerinnen und Bewohner verschreiben sich mit Leib und Seele dem Bewahren des Wissens der Acht Reiche, die seit Jahrhunderten miteinander im Krieg liegen. Verborgen und abgeschottet von der Außenwelt leben die Reyalunis in Frieden. Nur diejenigen, die in höhere Wissensgrade aufsteigen, können die Möglichkeit erlangen, das Tal für eine Weile auf Wanderschaft verlassen, um neues Wissen zu sammeln. Shernay weiß, dass ihr der Tod droht, sollte sie erwischt werden, dennoch bringt sie es nicht übers Herz, den gutaussehenden Krieger zu verraten.

Währenddessen droht der jungen Adligen Nimry in Jorgvil, der Hauptstadt der Fyrsthenei Kahsell, das Schicksal, ausgerechnet mit dem Graaven von Flynnt verheiratet zu werden. Eine politisch eingefädelte Heirat, vor der dem jungen Mädchen graust, vor allem weil der Graav offensichtlich einen hohen Verschleiß an Ehefrauen hat. Auch wird das Leben am Rande des Fyrsthentums kein Zuckerschlecken werden, denn die Hauptaufgabe des Graaven ist die Bewachung der Grenze Kahsells.

Mit Spannung wird die Heirat vor allem vom Weisesten Orstyn beobachtet, dem nicht ganz klar ist, was der Fyrsth mit dieser Verbindung beabsichtigt. Dabei ist er es doch, der eigentlich die Fäden in der Hand hält. Noch ahnt Orstyn nicht, in welche Gefahr er sich begeben muss, wenn er seine Ziele weiter verfolgen will.

Seit langem habe ich mal wieder einen Fantasy-Roman gelesen und dabei gleich einen verdammt guten erwischt. “Blutfelsen” ist der zweite Teil der “Geheimnisse der Klingenwelt”-Reihe und kommt komplett ohne Zwerge, Elfen und dergleichen tolkienesken Figuren aus, was ich als sehr erholsam empfand. Auch Magie ist auf den ersten Blick nicht vorhanden, zumindest spielt sie eine untergeordnete Rolle, denn auf Zaubersprüche und Beschwörungsformeln wird verzichtet. Doch es gibt eine andere Art von Magie in den Acht Reichen, die auf die Urgorrn zurückzuführen ist, jene grausamen Wesen, an deren Existenz als Gründer der Alten Welt kaum jemand glauben mag. Doch unter den Bewohnern Reyaluns gibt es immer wieder Menschen mit besonderen Talenten und spätestens wenn ein Riesenbuzzard mit strahlend blauen Augen auftaucht, wird klar, dass an den Legenden um die Urgorrn wohl doch etwas dran sein muss.

Auch wenn ich den ersten Teil der “Geheimnisse der Klingenwelt”-Reihe nicht gelesen habe, so fiel mir der Einsteig in “Blutfelsen” sehr leicht. Auch hatte ich nicht das Gefühl, dass es mir an Vorwissen fehlen würde, was vielleicht auch damit erklärbar ist, dass die Handlung bereits ca. 100 Jahre vor “Seelenspalter” angesiedelt ist. Die Faszination an dem Roman, der mich von der ersten Seite an zu fesseln vermochte, begründet sich sowohl auf die gut ausgedachte Welt und die wunderbar ausgefeilten Charaktere. Etwas Besonderes ist die Assassinengeschwisterschaft der Xyi, von der man wohl in “Seelenspalter” noch sehr viel mehr erfahren kann, weshalb ich nun auch den ersten Teil unbedingt lesen möchte.

Mit einer Vielzahl an unverwechselbaren Charakteren erweckt Ju Honisch die Welt der Acht Reiche zum Leben, wobei die Handlung sich auf Kahsell konzentriert. Drei verschiedene Handlungsstränge bringen die politischen und persönlichen Verwicklungen dem Leser näher und entwickeln sich Stück für Stück zu einem Ganzen. Kurze Einschübe aus den Gedanken des “Lauernden”, eines Schlangenwurms, der üble Pläne in sich zu tragen scheint und nur auf den richtigen Zeitpunkt wartet, weisen auf einen sich erst zum Schluss offenbarenden Clou hin. Zunächst hatte ich ein wenig Schwierigkeiten mich aufgrund der beiden Bibliotheken, die bereits erwähnte in Reyalun und die in Jorgvil, in welcher der Weiseste Orstyn seine Intrigen spinnt, und die ich zuerst für eine und dieselbe hielt, zurechtzufinden. Dann aber nahm mich die umfangreiche Geschichte über lange Zeit gefangen.

Ju Honisch erschafft interessante, vielschichtige Figuren und eine gut durchdachte Fantasywelt, die sich eher gemächlich entfaltet. Auch wenn durchgehend eine Grundspannung vorhanden ist, so entwickelt sich “Blutfelsen” trotz der kleinen, unaufdringlichen Cliffhanger an den Kapitelenden nicht zu einem wahren Pageturner. Dennoch habe ich das Buch sehr gern gelesen und zu keinem Zeitpunkt freiwillig länger liegen lassen. Auch fügen sich die Handlungsstränge zu einem ganzen Bild zusammen und lösen sich logisch und zufriedenstellend auf. Nur mit dem Titel “Blutfelsen” konnte ich nichts anfangen. Das Wort kommt im Roman nicht ein einziges Mal vor. Was sich der Verlag dabei gedacht haben mag?

Ju Honisch erzählt unglaublich bildhaft und einnehmend. So hat mir “Blutfelsen” vor allem auch sprachlich ausnehmend gut gefallen und ich mochte die orthografisch veränderten, selbst erklärenden Begriffe. Auch die starken und vor allem sich stets weiter entwickelnden Frauenfiguren hatten es mir angetan. Es ist wohltuend zu sehen, dass weibliche Heldinnen in einem solch hervorragend erzählten Fantasyroman eine starke Stimme haben.

© Tintenhain


Leseprobe

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1. Seelenspalter
2. Blutfelsen


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Band 2, unabhängig voneinander lesbar
Broschiert: 784 Seiten
Verlag: Knaur TB (2. Mai 2018)
ISBN-10: 3426521032
ISBN-13: 978-3426521038
Preis: € 12,99 [D]
Rezensionsexemplar
Blutfelsen Cover © Droemer Knaur Verlag
Cover © Droemer Knaur Verlag

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