Tintenhain – Der Buchblog

Rainbow Rowell: Fangirl [Rezension]

Fangirl Cover (c) Hanser Literaturverlage

Fanfiction – das ist Caths Welt. Bis sie das College-Leben und ihre erste große Liebe kennenlernt …
Die Zwillinge Cath und Wren sind unzertrennlich, bis Wren beschließt, dass ihr Jungen und Partys wichtiger sind als das gemeinsame Collegezimmer. Ein harter Schlag für Cath, die sich immer weiter in ihre Traumwelt zurückzieht: Beim Lesen und Schreiben von Fanfiction lebt sie ihre Vorstellungen von Liebesbeziehungen aus. Mit Erfolg – Tausende Leser folgen ihr. Doch als Cath dann Nick und Levi näher kennenlernt, muss sie sich fragen, ob sie nicht langsam bereit ist, ihr Herz echten Menschen zu öffnen und über Erfahrungen zu schreiben, die größer sind als ihre Fantasien. (Klappentext Fangirl)

Cath ist ein stilles, zurückgezogenes Mädchen und ohne ihre Zwillingsschwester Wren ist sie kein Ganzes. Ausgerechnet mit Beginn des neuen Lebensabschnittes am College beschließt Wren, sich von Cath abzunabeln. Während sich Wren Jungs und Partys zuwendet, besteht Caths Universum weiterhin aus ihrer Leidenschaft für  Fanfiction zu “Simon Snow”. In dem kleinen Wohnheimzimmer, das sie sich mit der selbstsicheren Reagan teilt, lässt sie ihrer Fantasie freien Lauf und flüchtet sich in die Welt, in der sie sich auskennt. Doch durch ihren “Kreatives Schreiben”-Kurs kommt sie nicht nur mit anderen Möglichkeiten des Schreibens in Kontakt, sondern auch mit Nick, einem Jungen, der ihre Leidenschaft für Worte teilt. Auch Reagans bester Freund Levi, der ständig in dem kleinen Zimmer rumzuhängen scheint, erlangt bald Caths Aufmerksamkeit, vor allem als sie das Geheimnis dieses immer lächelnden Jungen entdeckt.

Mich hat “Fangirl” anfangs trotz des sehr gutes Schreibstils ziemlich gelangweilt. Mit der Ich-Erzählerin Cath wurde ich nicht richtig warm, sie schien mir wenig greifbar, die meiste Zeit passierte auch nichts und es drehte sich viel um Fanfiction, was ich zwar vom Thema her spannend, aber nicht handfest genug fand. Man wurde nicht so richtig eingeführt, ich hätte mir noch mehr Infos gewünscht. Die Ich-Perspektive wird immer wieder durchbrochen von kleinen Textausschnitten aus “Simon Snow” – dem Original sowie Caths Fanfiction, aus verschiedenen Bänden und Zeitabschnitten. Leider hat sich mir die Originalgeschichte aus den Abschnitten überhaupt nicht erschlossen und da die Fanfiction ja mit den gleichen Charakteren eine andere Geschichte erzählt, erst recht nicht. Ich habe anfangs auch nicht kapiert, wer Penelope, Agatha usw. – also die ganzen Nebenfiguren der Story – sind. Das Ganze kam mir vor wie ein Harry-Potter-Verschnitt, bei dem Harry und Draco Malfoy sich ineinander verlieben, wobei Draco sich als Vampir entpuppt. Ich habe dann versucht, die Simon-Snow-Abschnitte in Bezug zum Erzähltext zu setzen, nach dem Motto, die beeinflussen sich vielleicht. Aber das hat auch nicht funktioniert, so dass ich die Auszüge bald überflüssig und störend empfand. Genauso wie die Teile, die Cath vorliest.

Doch die Geschichte um Cath nimmt später doch noch Fahrt auf und wird mit Blick auf den manischen Vater auch in hohem Maße vielschichtiger. Cath ist ein interessanter Charakter. Offensichtlich leidet sie an einer Sozialen Angststörung. Sie hasst Menschemengen und fühlt sich mit mehreren Personen in einem Raum unwohl. Gleichzeitig überlegt sie, was ihr alles Peinliches passieren könnte und geht der Situation von vornherein aus dem Weg. Ihre Zwillingsschwester Wren scheint dabei das ganze Gegenteil zu sein. Sie liebt Partys und genießt das neue Collegeleben in vollen Zügen und macht viele neue Bekanntschaften. Doch auch Cath lernt Leute kennen. Ihre Mitbewohnerin Reagan merkt, dass Cath ein schwieriger Charakter ist, und geht sehr sensibel damit um, ohne sich aufzudrängen. Ihr bester Freund Levi versteht es, Cath immer wieder ein Lächeln zu entlocken. Viel Zeit verbringt Cath vor allem mit ihrem Schreibparter Nick. Die Charaktere sind authentisch, auch wenn man von einigen nicht besonders viel erfährt. Vor allem Cath macht eine spannende Entwicklung durch und am Ende musste ich gar ein Tränchen verdrücken.

Mir hat auch der leichte, aber nicht seichte Schreibstil von Rainbow Rowell gut gefallen. Besonders gelungen fand ich die humorvollen Dialoge, bei denen ich manchmal laut auflachen musste. Hier merkt man Cath ihre reflektierten Gedanken und ihr Selbstbewusstsein an, was man aufgrund der Sozialen Angststörung erst mal gar nicht vermutet. Insgesamt hat Rowell wohl ein bisschen zu viel gewollt: Die Angststörung, der manische Vater, die Mutter, die ihre Familie verlassen hat, Wrens Umgang mit Alkohol und dann der wuchtige Anteil an Fanfiction. Tolle Themen in geballter Ladung, die den Hype aber meiner Meinung nach nicht rechtfertigen.

Den am 04. August bei dtv erscheinenden Band “Aufstieg und Fall des außerordentlichen Simon Snow“, in welchem die fiktive Welt noch einmal aufgegriffen wird, werde ich vermutlich nicht lesen. Irgendwie hat mich Simon schon genug genervt und ich kann mir jetzt gar nicht richtig vorstellen, was da jetzt noch Neues kommen kann. Überzeugt mich gern, vielleicht schau ich ja mal rein.

© Tintenhain

Leseprobe

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Rainbow Rowell: Fangirl

Gebundene Ausgabe: 480 Seiten
Verlag: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG (24. Juli 2017)
Originaltitel: Fangirl
Übersetzung aus dem Amerikanischen:
Brigitte Jakobeit
ISBN-10: 3446257004
ISBN-13: 978-3446257009
Altersempfehlung: ab 13 Jahren
Preis: 18,00 € (D)
Rezensionsexemplar

Cover (c) Hanser Literaturverlage

 

9 Kommentare

  1. Hi Mona!

    Sehr schöner Beitrag! Ich habe mich schon gefragt, ob du Fangirl lesen wirst 🙂
    Ich habe das Buch geliebt! Vor allem, weil Cath mir so, so, so ähnlich ist. Schüchtern, zurückgezogen, verträumt… Das Einzige, das mich an ihr gestört hat war, dass sie wirklich nur im Simon Snow Fandom ist und sonst keine Serien oder Bücher schaut/liest. Die einzelnen Simon Snow Abschnitte waren zunächst wirklich sehr verwirrend und ja, es IST eine Harry Potter AU mit Harry/vampire!Draco (omg, ich spreche die Lingo :D). Ich fand sie jedoch super und musste gleich ‘Carry On’ lesen, welches Caths Fanfic ist. Es hat mich aber richtig enttäuscht. Es ging zu schnell, dann wieder passierte nichts. Ich kam weder mit Simon, noch Baz oder Agatha zurecht. Die kleinen Seitenhiebe an Harry Potter fand ich jedoch wieder gut. Zusammenfassend: Fangirl ist genau mein Buch und die kleinen Auszüge über Simon sind für mich mehr als genug. Carry on hat mich enttäuscht. :/

    Oh, das war wieder mal ein langer Kommentar… 🙂
    Ganz liebe Grüße,
    Klaudia 🙂

    1. Liebe Klaudia,

      danke, das war ein super Kommentar, vor allem differenziert und hilfreich. Ich bin inzwischen, auch dank anderer Kommentare und Bemerkungen auf Blogs soweit, auf Simon Snow zu verzichten. Du bestätigst mich da nochmal.

      Liebe Grüße,
      Mona

  2. Hallo Mona,

    tut das gut, nach all den Jahren der Lobgesänge auch einmal einen kritischeren/ differenzierteren Beitrag zu Fangirl zu lesen! Rainbow Rowell wurde/ wird ja doch sehr gehyped und irgendwie wurde ich aber nie neugierig auf ihre Bücher. Und wenn ich nun deine Eindrücke lese, merke ich auch, dass Fangirl nichts für mich wäre.
    Durch Zufall hatte ich die Möglichkeit Simon Snow zu lesen – und habe nach 70 Seiten abgebrochen. Ich habe mich unsäglich gelangweilt, es passiert kaum etwas, die Charaktere sind bis dahin extrem eindimensional und Schablonen, die man so schon in hundert anderen Jugendbüchern gefunden hat. Die Parallelen zu Harry Potter sind selbst für mich als jemand, der noch nie Harry Potter gelesen hat, allzu offensichtlich und in zu hoher Zahl vorhanden. Tja, und der Schreibstil hat mich auch sehr enttäuscht und ist mir persönlich dann doch zu simpel – da habe ich schon weit anspruchsvollere Kinderbücher gelesen. Von daher tust du wohl gut daran, auf die Lektüre zu verzichten. Es gibt schließlich genug andere Bücher da draußen, die es wert sind, gelesen zu werden. 🙂

    1. Danke liebe Kathrin, ich glaube, ich lasse es tatsächlich. Ich habe an anderer Stelle auch gelesen, dass eine Bloggerin meinte, sie habe glücklicherweise Simon Snow zuerst gelesen, sonst hätte sie sich tierisch gelangweilt, weil bei “Fangirl” eh schon alles gespoilert wird. Das kann ich mir dann tatsächlich schenken. 😀

      Liebe Grüße,
      Mona

  3. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass dich die ganzen Simon-Snow-Ausschnitte verwirrt haben. Einmal ist es ja diese Mischung aus den “Original-Büchern” und ihrer Fanfiction und dann gibt es auch nie so richtig eine Einführung in die Reihe, damit man mal weiß, wer wer ist. Mein erster Gedanke war auch, dass Simon Snow ganz klar auf Harry Potter anspielt und Simon und Bas sozusagen das “Drarry”-Pairing sind (das ich noch nie verstanden habe).

    Wie genial die Welt von Simon Snow (meiner Meinung nach) wirklich ist, merkt man eigentlich erst, wenn man “Carry On” (Ich hasse diesen völlig sinnlosen deutschen Titel!”) liest. Dort lernt man die Figuren endlich mal alle kennen und hat einen zusammenhängenden Text. Und man merkt, wie sehr Simon Snow eigentlich eher eine Parodie auf Harry Potter ist. Und zwar meiner Meinung nach eine sehr intelligente, wobei Rainbow Rowells Humor da auch hart an der Grenze zur Albernheit liegt.
    Insbesondere das Ende des Buches bzw die Auflösung ist völlig anders als die von Harry Potter und ich fand sie super.

    Ich finde also, in Simon Snow steckt mehr, als man in Fangirl erahnen kann (besonders was den HP-Verschnitt angeht), aber wenn dich das schon in Fangirl nicht interessiert hat oder du mit parodieähnlichen Büchern nicht viel anfangen kannst, ist es jetzt kein must-read.
    Ich werde demnächst auch mal meine Rezensionen dazu veröffentlichen.

    Mir hat Cath als Charakter und ihre Beziehungen zu den anderen Leuten auch gut gefallen. Das war mal etwas anderes als diese betont coolen, schlagfertigen Hauptfiguren aus anderen Jugendbüchern. Ein bisschen too much war die ganze Familiengeschichte aber wirklich.

    Generell fand ich es toll, dass mal in einem Buch thematisiert wurde, wieso Menschen Fanfictions schreiben; vor allem solche, die komplett von der eigentlichen Handlung abweichen. Ich konnte sowas nämlich ehrlich gesagt nie nachvollziehen :D.

    Liebe Grüße
    Charlie

    1. Liebe Charlie,

      danke für deinen sehr ausführlichen und interessanten Kommentar!
      „Drarry“-Pairing habe ich ja noch nie gehört. 😀 Ich kannte nur die Theorie (bevor alle HP-Bände erschienen waren) dass Snape eventuell ein Vampir sei. Ich kenne jemanden, die FanFiction geschrieben hat, habe aber nie was gelesen. Kam mir auch irgendiwe immer absurd vor. Aber ich finde das Thema trotzdem spannend und ich hätte gern mehr darüber gewusst, wie das so läuft. Klang ein bisschen wie Bloggen.

      Ich fand Cath als Charakter auch interessant, hatte aber, denke ich, auch immer ein unklares inneres Bild von ihrem Alter. Das wird mir gerade jetzt erst klar. Was ihren vater betrifft, verhält sie sich sehr erwachsen, was Simon Snow betrifft eher teeniemäßig.
      Was Simon betrifft, da habe ich inwzischen schon Meinungen gehört, nach denen ich mir das Buch wohl spare. Auf deine Rezensionen bin ich trotzdem gespannt!

      Ganz liebe Grüße,
      Mona

      1. Haha, ja, diese Pairing-Namen in Fanfictions sind eh immer albern. So kennzeichnet man für die Leser halt schon in der Beschreibung, welche Figuren in der Fanfiction zusammenkommen, damit man vorgewarnt ist. Drarry ist halt DracoxHarry, Dramione wäre DracoxHermine und so weiter. So, wie es das bei Promos auch gibt mit Brangelina zB ^^.
        In Fanfictions geht es hier aber auch oft eher um Paare, die die Fans gerne hätten, als um Paare, die im Canon (also im Original) wirklich existieren oder auch nur angedeutet werden. Von daher ist Drarry wohl eher ein Wunsch einiger Fans als dass es eine Theorie über die Bücher wäre. Wobei man, wenn man will, natürlich überall romantische Tendenzen reininterpretieren könnte.
        Jedenfalls spielen Cath und ihre Fanfiction eindeutig darauf an, dass erstaunlich viele Menschen Fanfictions über Drarry schreiben.

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