Tintenhain – Der Buchblog

Alex Gino: George [Rezension]

Cover George Alex Gino
Cover © Fischer Verlage

George ist zehn Jahre alt, liebt die Farbe Rosa und liest heimlich Mädchenzeitschriften. Wie schön wäre es, wenn die Mädchen in den Zeitschriften ihre Freundinnen sein könnten. Dann könnten sie gemeinsam am Strand liegen, die Schminktipps und die schönen Kleiner ausprobieren. 
Als die Klasse ein Theaterstück aufführen will, ist sich George sicher, dass nur die Rolle der Spinne Charlotte für sie in Frage kommt, eine Rolle, die traditionell von einem Mädchen gespielt wird. Niemand kann sich so gut mit dieser Figur identifizieren wie sie. Doch wie soll George den Lehrern und Mitschülern erklären, dass sie ein Mädchen ist, und nur eine Laune der Natur sie in einen Jungenkörper verbannt hat? Da bekommt sie unerwartete Hilfe von ihrer Freundin Kelly.

“George” ist das erste Buch, das ich zum Thema Transgender gelesen habe. Ich hätte erwartet, dass der Roman aus Ich-Perpektive geschrieben ist, um die Gefühle von George eindringlicher darzustellen. Doch Alex Gino erzählt aus der dritten Person und damit gelingt ihr ein besonderer Kniff. Denn von George wird konsequent als “sie” geschrieben. So wird es auch für den Leser unumstößlich, dass George ein Mädchen ist und wie ein Mädchen fühlt. Man muss sich erst immer wieder bewusst machen, dass sie in einem Jungenkörper steckt.

Georges Coming-Out kommt mit dem Theaterstück an der Schule. Sie will unbedingt die weibliche Hauptrolle spielen und es ist klar, dass sie in dieser brillieren würde. Doch natürlich trifft sie auf Widerstände, die Lehrerin hat kein Verständnis, die anderen Kinder lachen sie aus. Doch für George, die sich auch zu Hause mit der Mutter und dem Bruder immer wieder auseinander setzen muss, gibt es einen Lichtstreif am Horizont. Ihre beste Freundin Kelly, deren Vater in der Musikerszene aktiv ist und durch den das Mädchen mit Toleranz und Akzeptanz aufgewachsen ist.

Für meinen Geschmack löst sich Georges Problem nur allzu schnell in Wohlgefallen auf. Die Akzeptanz im Umfeld ist wesentlich größer als erwartet, auch wenn einige Figuren erst noch damit hadern. Anderseits ist es dadurch ein Buch, das Mut macht und ich denke, das ist auch die Intention des Autors. Kinder und Jugendliche darin bestärken, zu ihren Gefühlen, zu ihrem Selbst zu stehen. Zu erfahren, dass es auch anderen so gehen kann, dass sie nicht allein sind und man auch Hilfe bekommen kann. So gibt es im Rektorenzimmer ein Plakat, das für eine Beratungsstelle wirbt, hier wird ein deutliches Signal gesetzt. Auch Informationen aus dem Internet, die George sich selbständig sucht, werden angesprochen.

Vor diesem Hintergrund hatte ich jedoch am Ende des Buches eine Art Hilfekatalog erwartet, entweder mit direkter Ansprache an den Leser oder einfach mit Adressen. Das ist ja auch für heterosexuelle Kinder und Jugendliche möglicherweise interessant, die sich mit dem Thema weiter auseinander setzen wollen.
Auch bleibt Alex Gino, die aus ihrem eigenen Transgender-Hintergrund heraus schreibt, in der Charakterentwicklung oberflächlich sowie geschlechterbezogen stereotyp und klammert sich sehr ans Theaterstück. Dennoch gelingt ihr eine sehr einfühlsame Einführung in das Thema Transgender.

Das Buch wird Kindern ab 10 Jahren empfohlen (im Original bereits ab 8 Jahren), dennoch würde ich in diesem Alter für ein begleitetes Lesen plädieren, da meine 10jährige Tochter ohne ein vorhergehendes Gespräch zunächst von den für sie verwirrenden Geschlechterzuschreibungen überfordert war.
Ihren Leseeindruck findet Ihr auf der Seite des Leseteams der Buchhandlung Graff, wo es (auf der ersten Seite ganz unten) ein Special mit allen Meinungen der Kinder und Jugendlichen des LeseTeams gibt. Sehr interessant finde ich hier die unterschiedlichen Altersempfehlungen.

© Tintenhain


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Einzelband
Gebundene Ausgabe: 208 Seiten
Verlag: FISCHER KJB; Auflage: 1 (25. August 2016)
Übersetzung aus dem Amerikanischen: Alexandra Ernst
ISBN-10: 3737340323
ISBN-13: 978-3737340328
Altersempfehlung: ab 10 Jahren
Preis: € 14,99 [D]
Geliehen
Cover George Alex Gino
Cover © Fischer Verlage

7 Kommentare

  1. Hi Mona!
    Das Buch steht ganz oben auf meiner Liste der zu lesenden Bücher! Ich bin viel auf tumblr unterwegs und auch sonst viel im Internet und habe in den letzten Jahren sehr viel über transgender, agender, gender fluity und noch viele andere Begriffe gelernt. Es freut mich total, dass es immer mehr Bücher mit LGBTQA+ Figuren gibt, die nicht klischeetiert sind oder so oberflächlich, dass es schon wehtut.
    Dass George von vorneherein feminine Promomen hat, finde ich gut. Es bestärkt Kinder und Jugendliche wirklich, so zu sein wie sie sind. Ich glaube, ein Mutmachbuch ist genau was wir brauchen!

    Lg,
    Klaudia

  2. Hallo Mona,
    das Buch scheint ja momentan viel diskutiert zu sein. Erst gestern haben wir im Kinder- und Jugendbuch-Unterricht (ich gehe momentan im Rahmen meine Buchhändler-Ausbildung in die Berufsschule) über das Buch gesprochen, und auch da kam die Frage auf, für welches Alter das Buch ist. Obwohl ich das Buch noch nicht gelesen habe, finde ich deine begleitetes Lesen-Empfehlung super.
    Muss ich auf jeden Fall noch lesen!

    Liebe Grüße,
    Sofie

  3. Pingback: Buchvorstellung – George – MonerlS-bunte-Welt

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