Tintenhain – Der Buchblog

Jo Baker: Im Hause Longbourn [Rezension]

Cover (c) Knaus Verlag

“Stolz und Vorurteil” ist vielleicht das populärste Werk der englischen Autorin Jane Austen. Die Irrungen der Liebe, die Zwänge der Gesellschaft und die sprachlich wunderbaren romantischen Beschreibungen lassen heute noch auch junge Leserinnen zu diesem Buch greifen und anschließend vom wunderbaren Mister Darcy schwärmen, der als literarische Figur inspiriert und auch Eingang in andere Romane gefunden hat.

“Im Hause Longbourn”wagt einen Blick hinter die Kulissen des wohlhabenden, aber einfachen Haushaltes der Familie Bennet. Haben die Dienstboten in “Stolz und Vorurteil” nur eine unbedeutende Nebenrolle als Überbringer von Nachrichten, helfende Hände beim Ankleiden oder Auftragen des Essens gespielt, so kommt ihnen nun eine tragende Rolle zu.

Sarah, das junge Hausmädchen der Bennets, träumt von fernen Ländern und der großen Stadt London, während sie Tag für den Tag in harter Arbeit putzt, kocht und die Wäsche macht. Zeit zum Träumen bliebt hier wenig, denn der Haushalt der Bennets fordert ständige Aufmerksamkeit rund um die Uhr. Ein Hauch von Abenteuer weht in die Küche als der junge, gut aussehende James Smith unter nicht ganz durchsichtigen Umständen als Diener in den Haushalt aufgenommen wird. Sarah ist schnell klar, dass ihn ein Geheimnis umgibt und ist gewillt, diesem auf die Spur zu kommen. Auch der Diener der Bingleys, der Halbmulatte Ptolemy, beschäftigt ihre Gedanken mehr als der Haushälterin Mrs. Hill lieb sein kann.

“Im Hause Longbourn” bietet nicht nur einen tieferen Einblick in das Leben der Bennets, sondern vor allem auch in das harte Leben der Hausangestellten, das nur wenig Raum für Privates lässt und vollständig von den Wünschen der Herrschaften beherrscht wird. Was in Austens Roman am Rande erwähnt wird, kann sich für die Dienstboten zu einer eigenen Geschichte entwickeln. So sind es auch kurze Zitate aus dem Originalroman, die die Kapitelüberschriften bilden und mit “Longbourn” an diesem roten Faden eine Parallelwelt entstehen lassen. Dabei geht Bakers Roman jedoch weiter. Nicht nur geht die Handlung über den Zeitraum von “Stolz und Vorurteil” hinaus, auch widmet sich Jo Baker vertieft gesellschaftlichen und politischen Themen wie den napoleonischen Kriegen zu dieser Zeit. Auch ihr kritischer Blick auf Austens Protagonisten lässt so manchen Charakter in einem anderen Licht erscheinen und vereinzelt tiefer blicken.
Besonders anschaulich wird der Arbeitsallstag der Dienstboten beschrieben. Die Handlungsabläufe beim Herstellen von Seife, Kochen, Waschen und Wäsche ausbessern sind detailliert und zeugen von ausführlichen Recherchen.Gleiches gilt für die Speisen, die im Hause der Bennets zu sich genommen werden.
Die eigenwillige Sarah, die mit ihren Wünschen und Träumen auch Dinge in Frage stellt, steht im Gegensatz zur Haushälterin Mrs. Hill, die reine Befriedigung aus ihrer Arbeit schöpft und dabei bis zur Selbstaufgabe geht. Überraschend ist eigentlich, wie wenig die Liebesgeschichten der Bennet-Schwestern das Hauspersonal berühren, wie wenig sie davon überhaupt mitbekommen, von den zu überbringenden Nachrichten und gegenseitigen Besuchen mal abgesehen. So gerät “Im Hause Longbourn” auch nicht zu einer Nacherzählung, sondern kann auch als eigenständiges, unabhängiges Werk betrachtet werden.
“Im Hause Longburns” ist ein ruhiger Roman, der trotzdem zu fesseln versteht und sich zu einem richtigen Schmöker entwickelt. Dabei versucht sich Jo Baker nicht an einer Kopie des Sprachstils Jane Austens, sondern findet ihren eigenen Weg, die Geschichte berührend und interessant zu erzählen.
Jane Austen Fans kommen voll auf ihre Kosten und für alle anderen ist “Im Hause Longbourn” ein wunderbarer, gefühlvoller, historischer Roman.
 
© Tintenelfe 5 Tintenfaesschen

Jo Baker: Im Hause Longbourn

Cover (c) Knaus Verlag
Gebundene Ausgabe: 448 Seiten
Verlag: Albrecht Knaus Verlag (8. September 2014)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3813506169
ISBN-13: 978-3813506167
Originaltitel: Longbourn
Preis: 19,99€ [D]

28 Kommentare

  1. Das gute Stück habe ich mir aus dem Leseexemplarregal im Laden auch gleich unter den Nagel gerissen 😀 hoffe, dass meine Flaute bald vorbei ist, damit ich es in Angriff nehmen kann.
    Deine Rezension hat mir auf jeden Fall die Befürchtung genommen, dass ein “Abklatsch” sein könnte.

  2. Guten Morgen!
    Ich finde das Cover von dem Buch ja so richtig schön ♥
    Allerdings muss ich gestehen, dass ich Stolz und Vorurteil noch nicht gelesen hab ^^ ABER ich habs mir ganz fest vorgenommen und werde es sicher bald in Angriff nehmen. Ist villeicht auch sinnvoll, das vorher zu lesen?
    Weil das hier hört sich auch interessant an, vor allem natürlich, wenn man die andere Geschichte kennt …
    Ich bin gespannt und hoffe, mir gefällts auch so gut wie all den vielen anderen 😀
    Liebste Grüße, Aleshanee

    1. Liebe Alex,
      man muss “Stolz und Vorurteil” nicht gelesen haben, aber es erhöht sicher den Lesegenuss. Naja, mal ganz davon abgesehen, dass man “Stolz und Vorurteil” auf jeden Fall irgendwann mal gelesen haben sollte. 😉
      Lieben Gruß
      Mona

      1. Also wenn das schon um das Buch geht, will ich es auf jeden Fall vorher lesen 😉
        Vielen Dank auch für deinen lieben Gruß!
        Wenn wir uns schon dieses Jahr auf der Messe nicht sehen können, dann bestimmt nächstes Jahr. Irgendwann wird das schon klappen!
        Wünsch dir noch einen schönen Abend 🙂

    1. Oh, ich mag “Emma” sogar sehr gern. Ich finde aber, dass “Im Hause Longbourn” auch einfach als historischer Roman bestehen kann, unabhänguig vom Austen-Bezug.
      LG, die Tintenelfe

  3. Hey!
    Das Buch steht auch noch auf meiner Leseliste und als großer Austen-Fan stehts ganz oben. 😀
    Ich hatte am Anfang ja bedenken, dass die Autorin sich da irgendwie verennt, weil ich finde, dass man den Stil von Austen nicht nachmachen kann. Deswegen beruhigt mich das ungemein, dass du sagst, sie hat ihren eigen Stil und man fühlt sich dennoch wohl in der Geschichte! Nun freue ich mich noch mehr darauf! 🙂
    LG
    Tilly

  4. Wow, ich bin heute durch den Kommentiertag auf so viele schöne Buchblogs schon gestoßen und auf jedem finde ich dutzende Bücher die ich lesen will.
    Ich frage mich ob mein Bücherregal nicht irgendwann mal wieder komplett belegt ist und ich umsortieren muss…
    Auf jeden Fall hört sich die Geschichte gut an und ich muss es mir ebenfalls merken!

  5. Hallo 🙂
    Das Buch klingt sehr interessant 🙂
    Ich werde es definitiv auf meine Wunschliste schreiben 🙂
    Ich bin über den #BloKoDe14 auf deinen Blog gestoßen 🙂
    Liebe Grüße
    Susanne

  6. Ich lese ja nicht so gerne historische Romane. Ich weiß auch nicht genau warum. Doch wenn ich eines liebe, ist es Downton Abbey und dieses Buch klingt so, als ob es genau in diese Art Geschichte eingeordnet wird. Da werde ich dann doch hellhörig 🙂
    Stolz & Vorurteil kenne ich (noch) nicht, Schande über mich.
    Neugierige Grüße
    Sandra

    1. Witzig, “Downtown Abbey” hat letztens schon jemand bei “The Diviners” erwähnt und ich musste das erst mal googlen.Von daher kann ich Dir jetzt auch nicht sagen, ob der Vergleich passt. Ich kann Dir aber sagen, dass das Buch toll ist. 😉
      “Stolz und Vorurteil” musst Du für dieses Buch nicht unbedingt kennen, aber mal so grundsätzlich wäre es an der Zeit. 😉

  7. Liebe Tintenelfe,
    gerne stimme ich Ihnen darin zu, daß Jo Baker in keiner Weise Jane Austen kopiert. Und obwohl Jane Austen wahrlich zu meinen Lieblingsautorinnen gehört, bin ich folgender Ansicht – wenn ich einmal aus meiner Rezension zitieren darf – :”Jane Austens Heldin Elizabeth ist eigenwillig, stolz und vorwitzig – doch Jo Bakers Sarah ist tapfer, verletzlich und verwegen und verdient viel eher die Bezeichnung Heldin.”
    Mit kollegialem Gruß
    Leselebenszeichen

  8. Hallo,
    auch ich habe mir dieses lesenswerte Buch auf Empfehlung (von wem, weiß ich nicht mehr) gekauft und muss sagen, ich habe es nicht getan, weil ich ein Riesenfan von Jane Austen wäre, sondern weil mich das Thema ganz einfach interessiert. Mir gefällt “Longbourn” sehr gut, weil ich dadurch auch so einiges über die Zeit des Regency erfahre, was ich bisher noch nicht wusste – z.B. wie der Triangular Trade (Sklavenhandel) abgewickelt wurde oder dass Haushalte wie die der Bennetts Steuern auf männliche Dienstboten zahlen mussten, da sie ja dadurch der Krone potentielle Soldaten vorenthalten.
    Alles in allem, bin ich von dem, was ich bis jetzt (so ca. 50%) gelesen habe, sehr angetan und freue mich auf viele weitere spannende Lesestunden mit diesem Buch.
    LG
    Ulrike

    1. Ich fand die Hintergründe auch sehr interessant. “Longbourn” geht ja auch über “Stolz und Vorurteil” hinaus, insbesondere durch die Geschichte von James.
      Ich wünsche dir noch sehr viel Vergnügen mit dem Buch!
      LG
      Mona

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