Tintenhain – Der Buchblog

Kristen Simmons: Artikel 5 (1) [Rezension]

Cover Artikel 5

Klappentext:
Religiöser Fanatismus hält Einzug in die Vereinigten Staaten: Wer gegen die strengen Statuten der Moralmiliz verstößt, dem stehen öffentliche Demütigung, Haft und sogar der Tod bevor. Die 17-jährige Ember lebt mit ihrer Mutter allein und versteckt. Doch trotz aller Schutzmaßnahmen wird ihre Mutter verhaftet. Sie hat gegen Artikel 5 der Moralstatuten verstoßen, weil sie nicht mit Embers Vater verheiratet war.
Ember wird in einer Besserungsanstalt für Mädchen gebracht und lernt dort Hass, Gewalt und fanatische Moralisten kennen. Sie weiß, sie muss ihre Mutter retten, koste es was es wolle … und dazu braucht sie Hilfe des Mannes, der ihre Mutter verhaftet hat: Embers große Liebe, Chase. (Klappentext © ivi-Verlag)

Dieses Buch hat mir kaum mal einen Moment zum Verschnaufen gegönnt. Zum Anfang überwogen Beklemmung, Erschrecken und eine leichte Ahnung, wie wenig dazu gehört, um ein solches Szenario wahr werden zu lassen. Ein Krieg, auf dessen Basis die Verunsicherung der Menschen genutzt werden kann, um religiöse Machtansprüche durchzusetzen. Fanatische Eiferer und eine Staatsreligion, mit deren Hilfe das Leben der Bürger und vor allem der Frauen immer stärker reglementiert wird. Eine “Moralpolizei”, die über das Wohlverhalten wacht, Angst und Schrecken verbreitet und dazu anstiftet, sich gegenseitig zu bespitzeln und anzuzeigen.
Kristen Simmons beschreibt sehr gut, wie ein bisschen Macht, die jemanden aus der Masse abhebt, Menschen dazu bringt, andere Menschen zu missachten, sich höherzustellen und Gewaltanwendung zu legimitieren, sei es nun der einfache Soldat, die Leiterin der Sozialisierungsanstalt oder ein höhergestellter Offizier.
Im Mittelpunkt stehen jedoch Ember und Chase, die sich seit ihrer Kindheit nahestehen und ineinander verliebt haben. Doch seit als Chase ein Jahr zuvor in die militärische Einheit des “Federal Bureau of Reformation” eingezogen wurde, hatten sie keinerlei Kontakt mehr.  Ember ist schockiert, wie sehr Chase sich verändert hat und es fällt ihr schwer, Vertrauen aufzubauen und doch ist er ihre einzige Chance, der Resozialisierungsanstalt zu entfliehen.
Das ambivalente Verhältnis zwischen den beiden vom Schicksal gebeutelten jungen Menschen wird sehr glaubwürdig und einfühlsam beschrieben. Entsprechend langsam nähern sich die beiden einander wieder an. Die kleinen ruhigeren Momente zwischen Chase und Ember sorgen für willkommene Verschnaufpausen und lassen den Leser während der rasanten Flucht zu Atem kommen.
Kristen Simmons schreibt in einem ansprechenden, einfachen Sprachstil und versteht es sehr gut, die inneren Konflikte der Ich-Erzählerin Ember zu beschreiben. Gleichzeitig gelingt es ihr, dem Leser auch Chases widersprüchliches Verhalten glaubwürdig nahezubringen. Embers spontanes, emotionales Handeln, das manchmal in Kurzschlüssen endet, ist sicher der extremen Stressituation geschuldet, hat mich aber manchmal doch ein wenig geärgert.
Ein wenig gefehlt haben mir die Hintergründe zum Ausbruch des Krieges und wer da eigentlich gegen wen gekämpft hat. Wie wurde ein solches religiös-fanatisches Herrschaftssystem mit totaler Kontrolle überhaupt möglich?
“Artikel 5” ist nicht nur spannend und mitreißend, sondern auch schonungslos in seiner Brutalität und Trostlosigkeit – und dennoch bleibt ein wenig Zeit für Romantik und den Glauben an Hoffnung.
So bin ich auch mit dem Ende des ersten Bandes der Trilogie zufrieden, der auf einen gemeinen Cliffhanger verzichtet und Ausblicke auf den nun sehnlich erwarteten zweiten Band “Gesetz der Rache” bietet.

Danke an Kristen Simmons für die tolle Leserunde auf Lovelybooks, auch wenn sie zunächst schwer in Gang kam. Ich musste schon lange nicht mehr so viel auf Englisch schreiben und denken. Danke an den Piper-Verlag (ivi) für das Leseexemplar!

© Tintenelfe

5 Tintenfässchen

Kristen Simmons: Artikel 5

Cover Artikel 5Broschiert: 432 Seiten
Verlag: ivi (Piper) (April 2013
ISBN-10: 3492702864
ISBN-13: 978-3492702867
Altersempfehlung: ab 16 Jahren
Originaltitel: Article 5
Autorenseite
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Die Trilogie

1. Artikel 5 (Article 5)
2. Gesetz der Rache (Breaking Point) Oktober 2013
3. Three (erscheint im Original Feb 2014)

6 Kommentare

  1. Mir hat das Buch auch sehr gut gefallen und ich bin schon sehr gespannt, was uns nun in Band 2 erwartet 😉 Da bekommen wir dann hoffentlich auch noch ein paar Informationen über die Hintergründe des Kriegs und wie dadurch diese Gesellschaft entstehen konnte.
    Liebe Grüße,
    Filo

  2. Das Buch klingt sehr gut – spontan erinnert es mich an “The Handmaid’s Tale” von Maragaret Atwood, das ich vor einigen Jahren gelesen habe und das mir sehr gut gefiel.
    Seitdem habe ich immer mal geschaut, ob es keine ähnlichen Bücher gibt… Bin auf jeden Fall gespannt, was du zu den Teilen zwei und drei sagst :).
    Der Atwood-Roman war ein Einteiler, heute ist irgendwie alles eine Trilogie. Das kann aber auch eine Möglichkeit sein, die Hintergründe stärker zu präsentieren.

    1. Ich habe “Der Report der Magd” mal in der Schule als Film gesehen und die Bilder haben mich noch jahrelang verfolgt. Ich konnte mich trotz der makabren Faszination nie dazu entschließen, das Buch zu lesen. Vergleichbar ist sicher die Beklemmung, die es bei mir ausgelöst hat. Die Funktionalisierung der Frau bei Margaret Atwood hat mich aber sicher noch um einiges mehr entsetzt. Aber Du hast Recht, es gibt da wirklich einige Parallelen. Vielleicht weil ein solches Zukunftsszenario tatsächlich nicht so weit hergeholt ist?

      1. Ich wusste gar nicht, dass es einen Film dazu gibt… den würde ich sehr gerne sehen.
        Aber ich glaube dir gern, dass es sehr beklemmend ist, das Buch ist auch nicht gerade… nett, aber sehr gut geschrieben. Ich mag Bücher von Margaret Atwood generell gern.
        Ne, für weit hergeholt halte ich es wirklich leider nicht :(. Schreibe ja selbst an einer Dystopie, die zwar nicht in die religiöse Richtung geht, aber auch eine düstere Zukunftsvision beschreibt. Arbeite seit 2007 daran und darf teilweise mitansehen, wie Einiges von dem, was ich damals “voraussah”, tatsächlich passiert.

      2. Der Film heißt “Die Geschichte der Dienerin”.
        Wie weit bist Du denn mit Deiner Dystopie? Planst Du eine Veröffentlichung?

      3. Ah, danke :).
        Ich bin mit der ersten Fassung fertig und arbeite gerade an einer zweiten Version. Beim Überarbeiten bin ich gerade irgendwo bei Kapitel 20 von ca. 50 (habe es nicht genau im Kopf).
        Darüber blogge ich unter dem Codenamen “MV” in meinem Privatblog :).
        Eine Veröffentlichung ist auf jeden Fall geplant, aber bis dahin wird noch vieel Wasser den Rhein rauffließen…

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